Assessment Center sind eine häufig genutzte Methode im Rahmen der Personalauswahl im Recruiting, um die am besten passenden Kandidaten herauszufinden. Dabei weichen die durch Unternehmen dabei verwendeten Verfahren teilweise erheblich voneinander ab. Das HR-Software Startup Applysia will standardisieren und bei der Optimierung unterstützen. Wie das funktioniert, verrät mir Mitgründer Simon Eisbach im Interview.
Was genau ist Applysia?
Hallo Simon, magst Du Dich und Applysia kurz selbst vorstellen?
Sehr gerne! Ich bin Wirtschaftspsychologe mit dem Themenschwerpunkt künstliche Intelligenz, großer Fan von Büchern und Podcasts und einer der Mitgründer von Applysia. Applysia ist ein Start-up aus Münster, dass sich zum Ziel gesetzt hat die Beobachter in Assessments digital zu unterstützen und die Prozesse damit effizienter, fairer, sicherer und nachhaltiger zu gestalten… und mehr Spaß soll es auch machen *lacht*
Welche Prozessschritte der Personalauswahl können mit Eurem Programm konkret abgebildet werden?
Aktuell unterstützen wir den Prozess von der Planung des Assessments bis zur Beobachterkonferenz. Also werden im ersten Schritt die Kandidaten und Beobachter angelegt, Dokumente wie Lebensläufe und Instruktionen hochgeladen und die Beobachtungskriterien erstellt. Dann im Assessment laufen alle Bewertungen, Notizen und die Einsicht in Dokumente über das iPad – komplett papierfrei. Am Schluss werden alle Bewertungen miteinander geteilt und können grafisch zwischen Kandidaten verglichen werden. Wir erweitern die Applysia aber in beide Richtungen und beispielsweise an einem Modul für automatische Gutachtenerstellung wird schon fleißig konzipiert.
Nutzer zu validen Auswahlprozessen leiten – DIN 33430
Unterstützt Ihr auch bei der Implementierung valider Auswahlprozesse oder nehmt Ihr einfach die Assessment-Methoden, die das Unternehmen schon im Einsatz hat, unabhängig von deren tatsächlichen wissenschaftlich bestätigten Wirksamkeit?
Uns geht es erstmal darum, das Beste aus dem bestehenden Prozess rauszuholen. Das passiert indem man durch sogenanntes „Nudging“ den Nutzer sanft zu empfohlenen Verhaltensweisen lenkt. Ein Beispiel ist, dass die Software mit Empfehlungen bei der Bewertung unterstützt. Das passiert aber ganz automatisch und ohne den Nutzer zu bevormunden. Wenn man sich aber neue Assessment-Konzepte erarbeiten möchten, können wir dafür besonders die Unternehmensberatungen empfehlen mit denen wir zusammenarbeiten.
Was genau hat es mit der DIN 33430 im Zusammenhang mit Applysia auf sich?
In der DIN 33430 für Eignungsdiagnostik ist geregelt wie gute Eignungsdiagnostik ablaufen sollte. Dabei ist uns aber klar, dass in der Praxis nicht jeder Auswahlprozess religiös an dieser orientiert ist. Wir gehen damit um, indem wir unseren Nutzern alle Freiheiten lassen ihre Prozesse abzubilden, aber durch den Workflow der Software das Verfahren automatisch DIN-konformer wird. Um zu zeigen, dass wir das ernst nehmen, haben wir dem ganzen Team die Zertifikationsprüfung der DIN ermöglicht … und zum Glück auch bestanden.
Vertrauen spielt beim Einsatz von Software für Assessment Center eine große Rolle
Persönliche Daten, die im Rahmen eines Assessments verwendet werden, sind ja stets sehr vertraulich. Umso mehr, wenn es auch um Persönlichkeit und Softskills geht. Wie sichert Ihr hier ein datenschutzkonformes Vorgehen ab?
Mit dem Thema Datenschutz habe wir uns früh befasst und ein ausführliches Datenschutzkonzept ausgearbeitet. Demnach ist jegliche Kommunikation verschlüsselt und läuft ausschließlich über deutsche Rechenzentren.
Wie du schon sagst, fallen im Assessment Prozess besonders sensible Daten an, die wegen der Auskunftspflicht aber eine feste Zeit aufbewahrt werden müssen. Deswegen ist ein praktisches Löschkonzept direkt in die Applysia-App eingebaut. Alle personenbezogenen Daten werden einen frei anpassbaren Zeitraum (meist 6 Monate) sicher aufbewahrt und dann DSGVO-konform automatisch gelöscht. Das geht digital sehr viel schmerzfreier als mit Papierordnern.
Assessment Center auch ohne Internetverbindung professionell managen
Euer System setzt auf ein Zusammenspiel zwischen Cloud-Software und Ipad-Modul. Warum unterstützt Ihr bislang nur die Apple-Welt?
Das war keine einfache Entscheidung. Im Gespräch mit Praktikern hat sich früh gezeigt, dass ein Assessment auch ohne Internet weiter funktionieren muss. Das geht am besten mit einer Tablet-App und in dem Markt hat Apple momentan klar die Nase vorn. Besonders die Notizfunktion, die für die User-Experience sehr wichtig ist, fühlen sich mit dem Apple Pen am natürlichsten an. Die App wurde zwar so entwickelt, dass sie in Zukunft auch auf anderen Plattformen nutzbar sein wird, aber zumindest die erste Zeit bleiben wir beim iPad.
Kaum Frauen in deutschen HR-Startups
Wenn man auf Eurer Internetseite zum Team scrollt, finden sich dort -wie bei sehr vielen HR-Startups- unter der Kerncrew nur Männer. Gründen Frauen nicht gerne oder welche Erfahrungen habt Ihr in dieser Hinsicht gemacht?
Das ist leider nicht nur ein Problem für HR-Startups, sondern von der Startup-Szene allgemein. Nach einer Studie der BCG bestehen ca. 90% der deutschen Startups ausschließlich aus Männern. Manche machen dafür verantwortlich, dass auch die Investorenwelt männerdominiert ist, andere eine geringere Risikobereitschaft. Uns ist es in jedem Fall schmerzlich bewusst und wir suchen bei Applysia aktiv nach weiblicher Verstärkung!
Die Corona-Krise kann auch positiv verstärkend wirken
Hat die Corona-Krise einen Einfluss auf Euer Businessmodell? Falls ja, welchen?
Auf jeden Fall, wenn auch anders als erwartet. Zu Beginn dachten wir „jetzt frieren alle Assessments ein“ und erst schien das auch so. Relativ schnell wurde aber klar, dass nun „Remote-Assessments“ durch Videocalls mit Zoom und Microsoft Teams eingeführt werden mussten. Darauf haben wir reagiert und mit Feedback unserer Kunden ein Remote-Modul entwickelt, dass die wichtigsten Funktionen für so ein „Assessment aus der Ferne“ bereit stellt. Viele Unternehmen nutzen außerdem die Gelegenheit, dass es etwas ruhiger zugeht um ihre Prozesse neu zu überarbeiten und zu digitalisieren.
Was plant Ihr in den kommenden Monaten oder auch Jahren? Wie soll Applysia sich entwickeln?
Mit vollem Tempo weiter! Wir haben eine Roadmap mit weiteren Funktionen, um den Auswahlprozess noch besser zu machen. Besonders im Bereich Data-Science haben wir noch viel vor und arbeiten daran welche wissenschaftlich sinnvollen Einblicke die Welt der KI-Methoden für den Bereich der Personalauswahl bereithält.
Die Welt ist besser als wir denken – nicht nur im HR
Welche Botschaft magst Du sonst meinen Leserinnen und Lesern mitgeben?
Wer den negativen Bildern der letzten Zeit etwas Positives entgegensetzen möchte, dem kann ich das Buch „Factfulness“ sehr empfehlen. Es ist ein toll recherchiertes und illustriertes Buch, warum die Welt eigentlich doch besser ist als wir denken.
Stimmt, das habe ich als Hörbuch quasi auf einen Schlag verschlungen.
Herzlichen Dank für Deine Zeit sowie die spannenden Antworten!
Über den Interviewten
Simon Eisbach ist mit seinem Fokus auf Data-Science und User Experience ein recht untypischer Psychologe. Gemeinsam mit seinen drei Co-Foundern gründete er 2018 Applylsia. Mit dem Ziel, alle Stärken der Digitalisierung in die Personalauswahl zu bringen und damit für effizientere, objektivere und nachhaltige Auswahlprozesse zu sorgen. Dabei bleiben sie ihren wissenschaftlichen Wurzeln treu und setzen außerdem auf gute User-Experience.
Wer mehr über Applysia wissen möchte, kann unsere Website von Applysia besuchen!