Titelbild: Interview Krisenmanagement von Alexander Peter Naujoks

Krisen Management: „Never waste a good Crisis“

Ab 2012 erlebt die Solarbranche eine richtige Erschütterung, welche sich in 2014 besonders stark auswuchs. Die Subventionen des Bundes wurden von einen Tag auf den nächsten gestrichen. Für viele Unternehmen aus dem Bereich alternative Energiegewinnung bedeutete das ein Aus, für viele Geldanleger, die auf Nachhaltigkeit gesetzt haben, hohe Verluste. Ich habe heute im Gespräch Alexander Peter Naujoks, vormals Executive Vice President Global Human Resources bei SMA Solar Technology AG. Wir sprechen darüber, welche Parallelen er zwischen den Krisen sieht, zwischen dem, was er im eigenen Unternehmen erlebt hat und der heutigen Situation. Welche Wege ist SMA damals gegangen, welche Lösungen sind heute denkbar? Und letzten Endes, wie sich Personaler auf ein Worst-Case-Szenario vorbereiten können.

Zur Vita von Alexander Peter Naujoks

Herr Naujoks, Sie haben eine sehr spannende Vita. Viele Jahre arbeiteten Sie für die IG Metall und haben anschließend eine Personalleiterfunktion in der Industrie übernommen. Würden Sie sich bitte mit Ihren eigenen Worten vorstellen und kurz etwas zu Ihren beruflichen Stationen sagen?

Ich stamme aus Nordhessen, lebte und arbeitete einige Jahre in Köln und bin über diese Station nach Frankfurt am Main gekommen. Dort habe ich 15 Jahre für den Vorstand der IG Metall gearbeitet. Die IG Metall mit ihren mehr als 2,3 Millionen Mitgliedern ist jedem als erfolgreiche Arbeitnehmervertretung und starke politische Organisation bekannt. Weniger bekannt ist jedoch die Professionalität und Struktur hinter dem sichtbaren Politikbetrieb.

Führungsaufgaben bei der IG Metall

Die IG Metall hat mehr als 2.500 hauptamtliche Beschäftigte und einem Wirtschaftsunternehmen ähnliche Aufbau- und Ablauforganisation mit rund 150 Außenstellen sowie Bezirken, Headquarters sowie üblichen Führungsstrukturen, angereichert um die Besonderheit von Wahlfunktionen an verschiedenen Stellen.

In diesem System hatte ich lange eine Führungsaufgabe im Bereich Organisation, das heißt das Unterstützen, Fördern und Sicherstellen von leistungsfähigen und erfolgreichen Strukturen. Die Aufgabe zog sich damit durch das Spektrum von Organisation, Finanzen bis zu Personal. Parallel zu dieser Aufgabe war ich seit 2010 Mitglied des SMA Solar Technology AG Aufsichtsrats und dort besonders im Prüfungsausschuss engagiert. Mit dem Aufziehen der Krise bis zum Höhepunkt 2014 zeichnete sich nach explosionsartigem Wachstum ein großer Bedarf an Reorganisation ab, wenn die SMA in ihrem Fortbestand gesichert werden sollte.

Allen Verantwortlichen, besonders den Gründern, war es ein Anliegen dies in einer für die Beschäftigen fairen Weise zu tun und zeitgleich die SMA nachhaltig zu sichern. Vor diesem Hintergrund trug man mir diese Aufgabe an und ich habe sie in Absprache mit meiner IG Metall im Herbst 2014 übernommen und wechselte operativ in die SMA als Executive Vice President HR mit globaler Verantwortung.

Neben einer Ausbildung als Elektroniker habe ich eine Ausbildung als Systemischer Berater sowie ein berufsbegleitendes Diploma (DAS) Studium in General Management mit den Schwerpunkten Leadership, Strategy und Finance an der Universität St. Gallen absolviert.

Parallelen: Krise der Solarbranche und Corona-Krise

Wenn Sie an die Zeit um 2014 denken, welche Parallelen sehen Sie zwischen der Situation damals innerhalb der Solarbranche und der heutigen Situation?

Mit der damaligen Situation verglichen, sehe ich Parallelen in der Komplexität und dem Zusammentreffen von unterschiedlichen Umständen, externe sowie interne. Es war in 2014 für uns nicht „nur“ eine von außen getriggerte massive Veränderung des Marktes. Viel mehr hatten wir nach Jahren des exponentiellen Wachstums auch reichlich „interne Baustellen“.

Interne und externe Herausforderungen gleichermaßen

In der Wachstumsphase ging es darum sehr schnell und innovativ zu sein, die Opportunitäten bestmöglich mitzunehmen sowie unsere Claims international abzustecken. Da wurde nicht immer ein Augenmerk auf Effizienz und stabile Prozesse gelegt, auch in strukturellen Fragen kam man gar nicht der Veränderungsgeschwindigkeit hinterher. Im Vordergrund stand „machen“.  Somit hatten wir gleich zwei Herausforderungen, einen stark veränderten Markt und ein Unternehmen mit großem Nachholbedarf in Struktur-, Effizienz- und Prozessfragen. Diese beiden Dinge potenzieren sich dann.

Massiver Einbruch von Märkten

Die aktuelle Situation hat meiner Meinung nach Parallelen zu unserer in 2014. Durch die Corona-Krise brechen Märkte innerhalb von Tagen massiv weg. Wir sollten uns aber nicht darüber hinwegtäuschen lassen, dass sich die Wirtschaft und Unternehmen zusätzlich in einer Transformation befinden. Schlagworte sollen hier nur Automotive, Elektromobilität und ganz besonders die Digitalisierung sein. Auch hier potenzieren sich Dinge.

Strategie zur Bewältigung der Krise

Welche Strategie haben Sie verfolgt?

Lassen sie mich mit der Strategie beginnen. Diese war einfach: Mit unseren Produkten als Unternehmen wirtschaftlich erfolgreich zur Energiewende beitragen und viele Arbeitsplätze im Unternehmen weltweit retten sowie nachhaltig sichern.

Ok, ganz so einfach war es dann doch nicht, hört sich aber so schön an. Aber im Ernst, im Kern war das unser Spirit. Hierzu muss man wissen, dass man es bei der SMA mit Überzeugungstätern zu tun hat, die für die Energiewende durch Photovoltaik brennen und gleichermaßen die Teilhabe der Mitarbeiter selbstverständlich war. Transparenz und Sozialpartnerschaft waren gelebte Werte.

Down-sizing des Unternehmens

Unsere Strategie war also, neben der Erschließung neuer Märkte, darauf ausgerichtet, das Unternehmen „down zu sizen“ auf die mittelfristige Marktlage, eine komplette Änderung der internen Struktur sowie Professionalisierung. Gleichzeitig galt es, die Innovationsgeschwindigkeit zu erhöhen und stabile Qualität zu sichern.

Ein weiterer Aspekt der Strategie war es, sich die Möglichkeit für späteres Wachstums und Expansion nicht zu verbauen. Neben diesen wirtschaftlichen Aspekten stand immer gleichberechtigt und parallel die Situation unserer Mitarbeiter daneben. Die SMA hat eine tiefe Verbindung und Loyalität zu ihren Beschäftigten. Unsere Strategie war trotz großem Beschäftigungsabbaus, die Beschäftigten nicht in die Arbeitslosigkeit zu entlassen, gleichzeitig aber sicherzustellen, dass die Mitarbeiter an Bord bleiben, die für die erfolgreiche Fortführung des Unternehmens notwendig sind.

Ein Teil unserer Strategie war es, dies alles in einem verantwortbaren finanziellen Rahmen zu stemmen. Wir hatten nicht die Mittel für „goldene Sozialpläne“ und mussten auch die finanzielle Zukunftsfähigkeit für die verbleibenden Mitarbeiter sicherstellen. Unsere Strategie musste zusätzlich den Kapitalmarkt mitnehmen und überzeugen, denn die SMA ist börsennotiert.

Letztes und zentrales Element der Strategie war die Entschlossenheit der Durchsetzung und des Kurshaltens. Dafür stand ganz besonders unser CEO.

Das operative Vorgehen in der Krise

Alexaner Peter Naujoks im Interview im Rahmen von #TalentHacksWie sind Sie operativ vorgegangen?

Natürlich haben wir an den Anfang eine tiefe Analyse der Situation und Ursachen gestellt im November/Dezember 2014 – ohne jegliche Tabus. In dieser Phase machte es Sinn, externe Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Ich möchte mich nicht über Sinn und Unsinn von Unternehmensberatungen auslassen, auch nicht, dass es wirklich Gute aber auch Schlechte gibt.

Vielmehr will ich auf den Aspekt der „unangenehmen Wahrheit“ hinweisen. Aus meiner Erfahrung hat sich gezeigt, es hilft einen Externen manch unangenehme Wahrheit über den Zustand der Organisation, einzelner Bereiche feststellen und aussprechen zu lassen. Versucht man dies in Eigenregie zu tun, leidet die selbstkritische ehrliche Analyse sowie die Fähigkeit, ohne Verletzungen im Management weiter zusammenzuarbeiten.

Nach der Analyse eine Phase der Klarheit und Wahrheit

Unser Weg war, an die Analyse nun im Dezember 2014/Januar 2015 eine Phase der Klarheit und Wahrheit zu stellen. Dies bedeutet, dass wir absolute Transparenz im Unternehmen hergestellt haben und die Beschäftigten, aber ganz besonders den Betriebsrat, an der Situation und unseren Erkenntnissen teilhaben lassen.

Wir haben sehr detailliert bis auf die Ebene eines jeden Beschäftigten informiert, wo wir stehen und sehr offen Informationen, Zahlen und Analysen geteilt. In vielen Meetings, in allen Bereichen. Dies war aus meiner Sicht ein zentraler Faktor für den Erfolg der Reorganisation. So bestand keinerlei Zweifel daran, in welcher bedrohlichen Situation sich die SMA befand und „wie groß das Loch im Zahn ist“.  Auch, wie die SMA zukünftig grob in den großen Linien aufgestellt sein wird, wurde schon umrissen und im Kern von allen einigermaßen anerkannt.

Entwurf eines zukünftigen Setups

Nach Analyse, Klarheit und Wahrheit stand der Entwurf des zukünftigen Setups im Detail und die Beschreibung des Weges dorthin im Januar 2015 an. Hier mag ich jetzt nicht tief in die Standards der Reorganisation absteigen und nur kursorisch bleiben:

Wir setzen ein großes Programm Transformation 2015, kurz T15, auf und versahen es interdisziplinär mit internen und externen Akteuren. Wir entwarfen mit deren Unterstützung im Senior Management ein Big Picture als Sollzustand der zukunftsfähigen SMA. Mit den Ergebnissen der eingangs genannten Analyse und dem Entwurf des Zielbildes sind wir mit dem Betriebsrat tief eingestiegen, um für den deutschen Teil des Unternehmens den Weg zum Soll zu vereinbaren.

Dabei standen wir unter einem immensen Zeitdruck und wussten arbeitgeberseitig, wir müssen zum Jahresende 2015 den Turnaround geschafft haben, was vielen unmöglich erschien. Natürlich war auch unserem Betriebsratsgremium der Zeitdruck bewusst, wenn vielleicht auch nicht in seiner letztendlichen Konsequenz.

Diskussionen um den Grad der Beteiligung des Betriebsrats

Zu Kontroversen führte in unserem Senior Management und unseren Beratern, mein Ansatz, sich in der grundsätzlichen Phase mit dem BR mehr Zeit zu nehmen, die vom BR gewünscht war, und auch auf von Ihnen geforderte, sich wiederholende Diskussionsschleifen einzugehen. Ich hatte mit dem BR verabredet, dass wir dafür in den „handwerklichen Teilen“ umso mehr Geschwindigkeit aufnehmen. Ich war überzeugt dieser Ansatz trägt.

Dem Gegenüber stand die Position mehr Druck zu entwickeln aber auch einfach „mehr Geld in die Hand zu nehmen“, die Verluste zu erhöhen aber dafür das für den Fortbestand wichtige Datum Jahresende zu halten. Ich durfte meinen Ansatz weiterverfolgen und er ging auch auf, in der handwerklichen Umsetzung waren wir dann so schnell, dass wir die ganze Zeit aufholten und im April 2015 mit der operativen Umsetzung begannen.

Das operative Programm aus zwei Blöcken

Das operative Programm setzte sich in seinem personalpolitischen Teil aus zwei Blöcken zusammen. Ein Block war die interne Reorganisation, das heißt Bildung neuer Strukturen und Organisationseinheiten, einhergehend mit Versetzungen und anschließenden Qualifizierungen. Der zweite Block war der große Abbau von Stellen. Insgesamt haben wir von mehr als 5.000 Stellen, rund 2.000 Stellen weltweit abgebaut, davon 1.200 in der deutschen Zentrale.

Personalabbau - Outplacement im Management von Krisen

Massiver Personalabbau über Programme mit begleitenden Maßnahmen

Der Personalabbau ließ sich aus unserer Sicht nur über kluge freiwilligen Programme und begleitende Maßnahmen bewerkstelligen. Ein stumpfer Abbau über betriebsbedingte Kündigungen in dieser Größenordnung barg vor dem Hintergrund der Sozialauswahl und demografischen Struktur des Unternehmens das hohe Risiko, im verbleibenden Unternehmen nicht das passende Setup an erforderlicher Qualifikation, Talent- und Leistungsträgern zu halten.

Die betriebsverfassungsrechtliche Sozialauswahl nimmt hierauf keine Rücksicht und es gibt wenige Spielräume. Die Akzeptanz des freiwilligen Programms hing an der akzeptierten Kenntnis, dass es ohne dessen Erfolg zu Entlassungen kommen wird und die für Entlassungen dann gültigen Sozialplan-Konditionen bereits hinreichend kommuniziert waren.

Agieren zwischen Freiwilligenprogramm und Sozialplan

Zwischen Freiwilligenprogramm (FWP) und Sozialplan bestand ein großer Spread. Das FWP war vor dem Hintergrund der ökonomischen Lage allerdings nicht üppig ausgestattet. Es galt also die Attraktivität des FWP über flankierende Maßnahmen zu stützen. Dies stellten wir durch Übernahme von Risiken, zum Beispiel bezüglich möglicher Sperrzeiten sicher. Aber ganz besonders die weitgehende Sicherheit nicht in die Arbeitslosigkeit zu geraten.

Um dies zu gewährleisten haben wir ein regionales Bündnis geschmiedet mit der IG Metall, der Agentur für Arbeit und ganz besonders den nordhessischen Unternehmen. Wir haben bei den Unternehmen „exklusive“ Stellen für SMAler eingeworben und eine interne Arbeitsmarktplattform aufgesetzt, an der sich operativ auch die Agentur für Arbeit beteiligt hat. Diese Plattform war außerordentlich erfolgreich und wir mussten sie ehrlich gesagt irgendwann abschalten, um ungewollte Fluktuation zu vermeiden.

Die lokal gebunden Mitarbeiter haben so eine neue Beschäftigung in renommierten Unternehmen der Region gefunden. Die Abfindungen fielen im Vergleich zu anderen Unternehmen nicht hoch aus, waren angesichts der direkten Anschlussbeschäftigung aber ein schönes Add-on.

Im Unterschied zu heute handelte es sich damals um eine reine „Solar-Krise“

Die Agentur für Arbeit hatte uns nach Abschluss auch bescheinigt, dass wir in der Region Nordhessen keinerlei messbare Effekte in der Arbeitslosigkeit hinterlassen haben, obwohl SMA einer der größten Arbeitgeber der Region ist und dort gut ein Drittel der Belegschaft abgebaut hatte. Hier liegt auch ein wesentlicher Unterschied zur aktuellen Situation vieler Unternehmen, die Arbeitsmarktlage war gut und die Unternehmen in unserem Umfeld prosperierten, denn es war eine reine „Solar Krise“.

Vom Umgang mit Unsicherheiten innerhalb der Belegschaft

Wie sind Sie mit den Unsicherheiten innerhalb der Belegschaft umgegangen?

Hier steht an allererster Stelle eine ganz klare und glaubhafte Vision von der erfolgreichen Zukunft des Unternehmens zu haben und diese verständlich zu kommunizieren. Dann gehört dazu, kontinuierlich ehrlich und transparent zu informieren über den aktuellen Stand und darüber was folgt.

Dies galt für alle Standorte weltweit gleichermaßen. Information ist der Erfolgsschlüssel. Es gilt durch Informationen, die Gerüchte und Spekulation zu ersetzen. Man kann Unsicherheiten aber auch nicht vollständig ausräumen und sollte der Diskussion darüber Raum geben und sie nicht weg-schweigen. Für uns war jederzeit wichtig, in guter Abstimmung mit dem Betriebsrat zu sein, der einen guten Blick auf existierende Unsicherheiten hat.

Die Rolle der Führungskräfte im Prozess

Welche Rolle haben die Führungskräfte in dem Prozess gehabt?

Die Wichtigste! Die Führungskräfte setzen auf den jeweiligen Ebenen um, die Führungskräfte sprechen mit den Beschäftigten, die Führungskräfte motivieren oder demotivieren. Alle kennen Bilder von Lehmschichten und dergleichen. Geprägt ist dieses Bild von dem Blick, dass im Senior Management Dinge ersonnen und erörtert werden, aber irgendwie es nicht bei den Menschen ankommt bzw. umgesetzt wird.

Es kann aber schlicht daran liegen, dass wir nicht hinreichend unser Middle Management überzeugt haben, sie nicht tief genug eingebunden haben und nicht hinreichend genug kommuniziert haben. In unserem Prozess hat sich das gezeigt, wo Senior Manager gut ihre Führungskräfte informierten und einbezogen haben, lief es auf allen Ebenen gut. Dort wo Senior Manager dies nicht taten oder die Information ihrer Führungskräfte anderen Kanälen überließen, gab es Schwierigkeiten, Unruhe und mehr Unsicherheiten. Die Prozesskette zieht sich durch alle Ebenen und es gibt da kein Workaround. Wird eine Ebene nicht ausreichend involviert, zieht es sich weiter negativ durch.

Persönlicher Umgang mit der Situation

Wie ging es Ihnen persönlich in der Situation und Ihrem Team? Wie haben Sie sich gegenseitig gestärkt?

Die Zeit war belastend und aufregend zugleich. Für mein Team und mich war wichtig, dass wir wussten warum wir das tun. Wir wollten das Unternehmen retten und für die verbleibenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein zukunftsfähiges Unternehmen sicherstellen. Wir wussten alle, wir stehen mit dem Rücken an der Wand. Dies ist schon sehr bedeutend für eigene Werte und Antrieb. Aber wir waren überzeugt, das Richtige und Gute zu tun. Wir standen dafür, es jederzeit fair zu tun.

HR haftete ein negatives Image an

In der Phase der BR-Verhandlungen und auch des operativen Abbaus, war die Situation insgesamt unbefriedigend. HR haftet ein negatives Image an. Das sind diejenigen, die Arbeitsplätze abbauen und bei allen Gesprächen zu Aufhebungsverträgen dabei sind. Das HR Team sind aber Mitarbeiter, wie alle Anderen und waren selber betroffen. Wir haben in dieser Zeit, den HR Bereich halbiert.

Richtig schwierig sind dann die Momente, wenn Mitarbeiter aus dem persönlichen Umfeld das Unternehmen verlassen. Um uns gegenseitig zu stützen, haben wir uns während der operativen Phase morgens getroffen und ausgetauscht, wie es uns geht und die Erlebnisse geteilt.

Diese Zeit bleibt für HRler einfach sehr belastend und gemeinsamer offener Austausch hilft ein wenig. Jedoch haben wir in dieser Zeit auch viel gelernt und offen darüber gesprochen, dass dies ein Qualifikations- und Erfahrungsgewinn sei, welcher einen Wert für einen Personaler habe. Funktioniert hat HR-seitig am Ende alles auch nur weil ich ein ganz tolles Team hatte, das zusammenstand.

Das Überwinden von Krisen

Wie ist SMA aus der damaligen Krise herausgekommen, mit welchen Ergebnissen?

Nun, wir hatten zum Jahresende 2015 fulminant den Turnaround geschafft und damit gar Benchmarks gesetzt, wie unsere Berater von Roland Berger bescheinigten. Wir hatten dabei die geplante Sollstruktur eingenommen und keinen in der Arbeitslosigkeit zurückgelassen. Im Übrigen wurde nicht ein einziges arbeitsgerichtliches Verfahren während der ganzen Zeit gegen SMA angestrengt.

Transfer auf die Corona-Krise

Wie schätzen Sie die heutige Situation ein und die Entwicklung des Arbeitsmarktes für die nächsten Monate – sagen wir mal bis Ende des Jahres?

Ich beschrieb eingangs, die heutige Situation anderer Unternehmen ist ähnlich mit der damaligen von SMA, aber doch anders. Getreu dem Motto „Same, same but different“. Die Ähnlichkeit besteht darin, dass wir durch das COVID-19 Virus eine ökonomische Krise auf Nachfrageseite haben. Die zweite Ähnlichkeit besteht darin, dass es parallel dazu einen hohen internen Reorganisationsbedarf gibt. Dieser ist aktuell durch die Transformation getrieben, beispielsweise bei Elektromobilität und Digitalisierung.

Den großen Unterschied sehe ich darin, dass wir aktuell nicht das Problem einer einzelnen Branche haben so wie damals in der Solar Industrie, sondern eine tiefgreifende ökonomische Krise in fast allen Wirtschaftszweigen am Vorabend einer Rezession. Dies macht es aktuell, wie ich glaube, an der Stelle des externen Faktors ungleich schwerer.

Insgesamt kann ich aber positive Dinge entdecken. Die Digitalisierung hat einen Boost erhalten und alle die dachten „virtuell zusammenarbeiten“ oder Homeoffice seien vom anderen Stern, sind von 0 auf 100 in dieser Welt angekommen. Und es funktioniert. Dies wird sicher auch bleiben. Aus meiner Sicht ein Gewinn für Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen.

Empfehlung an aktuelle Personalverantwortliche

Was würden Sie einem jungen Personalleiter, einer jungen Personalleiterin, die bisher noch keine Krisensituation zu managen hatten, empfehlen? Wie können Sie sich auf ein mögliches „worst case“ Szenario vorbereiten? Worauf ist besonders zu achten?

Als erstes mag ich ein Zitat von Winston Churchill bemühen „Never waste a good crisis“. Eine Krise lädt auch dazu ein, Dinge zum Besseren zu verändern. Die Krise wird vermutlich an keinem Unternehmen folgenlos vorbeigehen, egal auf welche Art. Sich jetzt wegducken wird daran leider nichts ändern.

Transparenz, Ehrlichkeit und Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat

Meine wichtigste Empfehlung ist frühzeitige Transparenz und Ehrlichkeit. Stellen Sie so früh wie möglich Transparenz über die Situation her, beziehen sie ihre Mitarbeiter ein, Geheimniskrämerei ist fehl am Platze. Beteiligung ist ein Kernelement und suchen Sie den Schulterschluss mit ihrer betrieblichen Interessenvertretung.

Meine Berufserfahrung zeigt mir, gemeinsam mit dem Betriebsrat kommen Sie erfolgreicher durch solche Krisen. Setzen Sie nicht auf „scheibchenweise – Salamitaktik“ oder zu kurzgesprungene Ansätze. Denn jede weitere nachgelagerte Reorganisation macht das Unternehmen schwächer, verspielt Vertrauen der Mitarbeiter, des Marktes und treibt die Talente davon.

Arbeiten Sie mit verschiedenen Szenarien und legen Sie nicht gleich zu Beginn die kleinsten Details fest, denn Sie werden sie im Laufen sowieso anpassen. Und da hilft es, sich die Anpassungsfähigkeit bewahrt zu haben und nicht in der Sackgasse zu stecken.

Vertrauen Sie ihrem Team und erledigen Sie Dinge im Team und geben gleichzeitig Orientierung. Niemand wird Sie für Reorganisation lieben.

Vielen Dank für dieses Interview, Herr Naujoks!

Hinweis:
Nach dem Interview und vor der Veröffentlichung hat Alexander Peter Naujoks eine neue Aufgabe außerhalb der SMA Solar Technology AG übernommen.

Dieser Beitrag ist Teil der Ideen-Kampagne #TalentHacks „Mit Potential aus der Krise“.

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Ivana Hilgers

Expertenpanel Ivana Hilgers

 

Ivana Hilgers bringt mehr als 20 Jahre HR Erfahrung in internationalen (NASDAQ- und DAX-)Unternehmen aus der Telekommunikation-, IT- und Medienindustrie mit, davon über 10 Jahre mit Führungsverantwortung.

Zuletzt war sie tätig als Head of Employer Branding bei der ProSiebenSat.1 Media SE bevor sie 2017 gleichnamige Beratungsagentur gründete. Im April 2020 hat sie zusammen mit Julian Ziesing die Plattform Recrunauten gegründet.

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