Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Unternehmen sind im Moment noch unabsehbar. Vielfach wird eine Rezession vorhergesagt. Doch könnte die Krise auch eine Chance zum Umdenken bieten? Bedarf es womöglich einer Restrukturierung der Wirtschaft? Welche Werte in Zukunft noch wichtiger werden und welche neue Rolle Unternehmen einnehmen könnten, erklärt Prof. Dr. Hendrik Müller, Wirtschaftsethiker an der Hochschule Fresenius in Hamburg, in einer neuen Folge des Wissenschafts-Podcasts.
Wirtschaftsethik will Wettbewerb und Werte zusammenbringen
Rücksicht, Solidarität, Vertrauen, Transparenz – das sind nur einige wenige Werte, die in unserer Gesellschaft von Bedeutung sind. Werte, die während der Corona-Krise stärker in den Fokus gerückt sind. In der Wirtschaft allerdings stehen sie eigentlich im Gegensatz zu den Wesensmerkmalen des Wettbewerbs: So ist Rücksichtnahme auf die Konkurrenz in der Regel hinderlich für den unternehmerischen Erfolg.
Aufgabe der Wirtschaftsethik ist es, diese beiden Welten zusammenzubringen. „In der Krise ist deutlich geworden, dass wir ohne Werte nicht auskommen“, sagt Müller. „Durch das vermehrte digitale Arbeiten treten sie nun sogar stärker zutage als zuvor. Für den flächendeckenden Einsatz von Homeoffice bedarf es Vertrauen, Offenheit und Flexibilität. Und es funktioniert.“ Diese Erkenntnisse könnten die Unternehmen verstetigen. Das Instrument des mobilen Arbeitens eigne sich beispielsweise auch bei den jährlichen Grippewellen, um einen hohen Krankenstand und damit einhergehende Kosten zu senken.
„Die Krise zwingt Firmen auch zum Umdenken hinsichtlich ihres Angebotes“, so der Wirtschaftsethiker. „Die Menschen verzichten derzeit auf Luxusartikel und kaufen Produkte des täglichen Bedarfs, wie zum Beispiel Schutzmasken.“ Die Modeindustrie habe schnell darauf reagiert: Designer entwerfen nun Masken als modisches Accessoire. Dies sei ein wichtiges Signal in die Branche: Die Textilindustrie müsse sich mehr nach den Bedürfnissen der Kundinnen und Kunden richten und nicht umgekehrt. Niemand brauche zwölf Kollektionen in einem Jahr. Denn dieser schnelle Wechsel entwerte auch die Arbeit der Designer.
Auch der einseitige Fokus der Wirtschaft auf stetiges Wachstum müsse laut Müller hinterfragt werden: „Wirtschaftliches Wachstum funktioniert bislang zu stark auf Kosten der Umwelt.“ Ökonomen und Ethiker haben bereits vor Corona alternative Denkanstöße wie die Gleichgewichts- oder Postwachstumsökonomie entwickelt, die diesen fatalen Zusammenhang entkoppeln möchte.
Quelle: Hochschule Fresenius