Gastautorin Annemarie Zoppelt betrachtet HR heute einmal aus der Außenperspektive. Sie blickt dabei kritisch auf die häufig vorliegende Ziel- und Rollendiffusion der Personaler. Denn diese sind Verwalter, Recruiter, Fortbilder, Entwickler, Coaches, Digitalisierer, On- und Offboarder gleichermaßen. Zeit, einen Schritt zurückzutreten und zu analysieren, inwieweit HR business-like aufgestellt ist oder zumindest werden kann.
HR will eine feste Rolle am Tisch der Entscheider
Ausgangssituation 2020. HR will am Tisch der Entscheider endlich eine feste Rolle haben. Wir wünschen uns eine HR-getriebene Unternehmensführung. Denn wir wissen: Unternehmen, die ihre Personalarbeit und ihre Mitarbeiter ernst nehmen, gewinnen. Den Krieg um Talente, Awards, Mitarbeiter oder Kunden… egal. Sie gewinnen dort, wo sie ein Spielfeld betreten.
„Clients do not come first. Employees come first. If you take care of your employees, they will take care of the clients.“, sagt Richard Branson. Und diese Einstellung hat aus dem kleinen Plattenladen Virgin einen hoch erfolgreichen Weltkonzern gemacht – mit einer starken Arbeitgebermarke. Der gute Richard Branson ist im Grunde so ein HR-getriebener Multimillionär.
Die Personalabteilung als Erfolgsfaktor?
Wieso also wird die Personalabteilung in so vielen Unternehmen nicht als Erfolgsfaktor wahrgenommen? Wieso sind die Recruiter nicht die Helden der digitalen Revolution? Beispielsweise dann, wenn sie einen ITler von der Konkurrenz wegrekrutiert haben? In der Wahrnehmung der Unternehmensleitung haben sie damit einfach nur ihren Job gemacht. Im Vertrieb wäre eine äquivalente Leistung als eine Riesennummer gefeiert worden.
Anderes Beispiel: Wenn das HR-System endlich Karrierepfade von Mitarbeitern unterstützen kann! Zugegeben, das wäre für die meisten Unternehmen ein wahrer Quantensprung. Rudern wir also etwas zurück und sagen: Das System kann alle Fähigkeiten, Fertigkeiten und Interessen der Mitarbeiter erfassen, um sie für den Alltag nutzbar zu machen. So etwas wird vielleicht noch in unserem HR-Silo gefeiert. Aber „da draußen“? Wenig Wertschätzung, wenig positive Resonanz. Aber wieso?
Wenn Unternehmen nicht wissen, was Recruiter leisten
Weil der Rest der Welt nicht wirklich weiß, was die Recruiter machen. Nicht weiß, was sie für das Unternehmen erreichen und in welchem Umfeld sie erfolgreich sein müssen. Kommuniziert HR denn was es alles erreicht? Ich spreche dabei jetzt nicht von der Rechtfertigung bestimmter Ausgaben als Kostenstelle, sondern von den positiven Ergebnissen und Erfolgen. Was ist Ihre „HR-Heldenstory“?
Diese Frage führt direkt zur Titelfrage zurück. „Hey HR, ready to employ yourself?“.
Hat HR ein klares Rollenverständnis von sich selbst?
Vielleicht fehlt es HR an Klarheit über das eigene Rollenverständnis oder an einem trennscharfen Anforderungsprofil? Täglich werden den Kandidaten Fragen gestellt, die sich um Werdegänge, Lücken im CV, Motivation und Arbeitseinstellung drehen. Wenn sich Ihre HR-Abteilung als Kollektiv in den Bewerberstuhl setzt: Könnten Sie Ihre eigenen Fragen klar beantworten?
Hier ein paar „Klassiker“ (Ergänzen Sie einfach Ihre eigenen Fragen):
- Wo sehen Sie sich in 2 Jahren?
- Was war bisher Ihr größter Erfolg und die größte Niederlage?
- Welchen Beitrag werden Sie in 2020 zum Unternehmenserfolg leisten?
- Mit welchen Kollegen arbeiten Sie besonders gerne zusammen und wieso?
- Hatten Sie einmal Herausforderungen mit anderen Abteilungen, warum – und wie wurden diese gelöst?
- Wo liegen Ihre Stärken, Schwächen?
- Wo sehen Sie Chancen und Risiken in Bezug auf Ihre Fähigkeiten und Ressourcen?
- Wie glauben Sie können Sie den größten Mehrwert für Abteilung A, B, …, Z liefern?
- Was können Sie besser als die HR-Abteilung der Konkurrenz?
- Was zählen Sie auf gar keinen Fall zu Ihren Aufgaben?
- Mit welchen Trends befassen Sie sich?
- Wie und worin bilden Sie sich weiter?
Was kann und will HR zukünftig?
Das Ganze ist natürlich ein sehr bildhafter Ansatz und die Liste könnte weitergeführt werden. Worauf ich hinaus möchte: Wissen Sie was Sie können, sind und was Sie zukünftig sein wollen? Haben Sie methodisch an Ihrer Value Proposition gearbeitet?
In einer idealen HR-Welt hat jeder Kollege sein persönliches Business-Modell verinnerlicht und definiert. Mit diesem im Hinterkopf kann sich die gesamte Struktur an die kollektive Positionierung setzen.
Business Model Canvas für HR
Betrachten Sie Ihr HR-Geschäftsmodell gerne mit den Tools, die Gründer und Selbstständige nutzen. Durchdenken Sie Ihr (HR-)Business in einem Geschäftsmodell. Machen Sie sich Gedanken um einen Businessplan, nutzen Sie Methoden wie das „Business Model Canvas“. Was sind Ihre Produkte und wer „kauft“ sie?
Suchen Sie aktiv nach Schwachstellen in Ihren Strukturen und Ideen. Hierzu eigenen sich besonders Azubis und Studenten. Denn von dort kommen die frischen Ideen, der Wille zur Veränderung und die provokativen Fragen.
Analyse unter Einbezug der internen Kunden
Wie schaut das MVP (Minimum Viable Product) Ihrer Leistung aus? Schauen Sie bei dieser Analyse auch durch die Brille diverser Stakeholder. Was würde zum Beispiel Finance sagen? Wie sieht Ihre HR aus Supply-Chain-Sicht aus? Hierbei sollte auf jeden Fall auch mit anderen Abteilungen gesprochen werden. Holen Sie sich das Feedback und die ehrlichen Worte der Kolleginnen und Kollegen.
Wo liefern Sie zu wenig, wo sind Sie hingegen gut unterwegs? Was sind blinde Punkte in Ihrer Wahrnehmung oder in der von anderen Abteilungen und Hierarchieebenen?
Klarheit über die das eigene HR-Branding
Erst wenn diese Klarheit gegeben ist und Sie nach innen wissen, was Sie können und sind, erst dann gilt es, das Ergebnis „in den Markt zu tragen“. Nach umfangreicher Analyse und der Auseinandersetzung mit Ihrer Arbeit haben Sie ein Ergebnis, das alle in Ihrem Verhalten und Auftreten nach außen tragen können. Jeder, der mit Ihnen spricht, sollte den „Spirit“ Ihrer HR mitbekommen. Denn ein Branding ergibt nur dann Sinn, wenn die Substanz darunter glaubhaft ist. Wenn Ihre Kolleginnen und Kollegen erkennen, dass Sie Ihre Aussagen auch leben und ernst meinen, dass Stärken ausgebaut und Potentiale genutzt werden und dass sich Kritikpunkte tatsächlich zum Positiven verändern, dann glaubt man Ihnen die Klarheit und Veränderung. Hier und im Employer Branding des kompletten Unternehmens gilt – wie auch in Euren Gesprächen mit Kandidaten: Nur wenn es einen Beleg oder eine Erklärung für eine Story gibt, dann ist die Aussage glaubwürdig.
Prozesse, die niemals fertig sind
Fertig werden Sie mit diesem Prozess übrigens niemals. Die Welt dreht sich weiter und Iterationen sind regelmäßig notwendig, um sich neusten Entwicklungen anzupassen. So setzen Sie sich ein paar Monate später wieder in den Bewerberstuhl und beantworten Ihre eigenen Fragen erneut. Iterativ zu arbeiten hilft Ihnen auf Ihren Ergebnissen systematisch aufzubauen und regelmäßig zu beleuchten, ob Sie noch auf dem gewünschten Kurs sind.
Abschließend würde mich interessieren welche Erfahrungen Sie bereits damit gemacht Ihre Situation intensiv zu beleuchten? Haben Sie bereits eine eigene HR- Brand? Mit welchen Analysemethoden sind Sie dazu gekommen und wie messen Sie Ihre Erfolge?