Die Plattform CompanyMatch wirbt mit mehr Glück und Leistungsfähigkeit in einer passenden Unternehmenskultur. Grund genug, mir den Matching-Algorithmus auf Basis des Cultural Fits und den Mehrwert der Plattform genauer anzusehen. Dabei analysiere ich beide Seiten, sowohl die Bewerber-Experience als auch den möglichen Nutzwert für Unternehmen.
Aber Achtung: Der Beitrag enthält mehr als nur Spuren von Ironie und Co!
Bewerbermatching mittels Cultural Fit – ein trendiges Thema
Auch wenn ich in den letzten Beiträgen recht kritisch mit dem Thema Unternehmenskultur umgegangen bin (“Cultural fit eats Diversity for breakfast”) und allzu freizügigen Umgang mit Matching-Daten recht kritisch gesehen habe (Praxistest GOOD&CO), stehe ich dem Thema weiterhin erstmal offen gegenüber. So auch vor dem Test der Plattform CompanyMatch. Was mich dann aber erwartet, beeinflusst meine Meinung doch wieder stark negativ!
Mit einfacher Anmeldung in den Fragebogen starten
Erfreut stelle ich fest, dass aus Sicht des Jobsuchenden die Anmeldung sehr einfach ist und keine Hürde darstellt. Meine eingegebene E-Mail-Adresse muss noch nicht einmal verifiziert werden – was sich übrigens schon bald als Nachteil herausstellt. Unter einem Pseudonym, aber mit realer E-Mail-Adresse beantworte ich also brav meine Fragen, die stets eine Priorisierung meiner Antworten nach Rängen von 1 bis 4 verlangen.
Bei manchen Fragen stutze ich jedoch, wie bei Frage 17:
Zum einen überlege ich, wie ein Arbeitgeber stolz oder ehrlich sein kann. Diese Eigenschaft hatte ich bislang immer nur Menschen zugeordnet. Um mich aber nicht mit Details aufzuhalten, entscheide ich mich für „Mein idealer Arbeitgeber ist: macht Spaß Am wichtigsten“. Zumindest verstehe ich, was gemeint ist…
Matching durch weitere Daten verfeinern
Nach dem aus Nutzersicht erstmal erfreulich kurzen Fragendurchlauf stehe ich vor einer Eingabemaske, in der ich weitere Daten eingeben soll. Da ich die Plattform auf Herz und Nieren testen möchte, gebe ich bewusst eine eigentlich gar nicht mögliche Kombination aus Verteidigung und Raumfahrt als Branche sowie Pharma und Gesundheitswesen als Arbeitsgebiet an. Als Wohnort im Freitext gebe ich „Wacken“ an (warum auch immer mir der Ort jetzt gerade einfällt). Im Dropdownmenü suche ich einen skandinavisch klingenden Abschluss und will wissen, welche Unternehmen jetzt für mich die besten Matches sind. Warum? Weil ich es kann.
Bunte Ergebnisliste ohne Bezug zu meinen letzten Eingaben
Statt der erwarteten Rückmeldung, dass auf Basis dieser Eingaben leider keine Matches verfügbar sind, überrascht mich die Plattform mit folgender Ergebnisanzeige.
Man beachte: Mein Auswahlhaken sitzt bei „Nur mein Arbeitsgebiet zeigen“. Auf Platz Nr. 1 wird mir jedoch als Best Match eine Personalberatung angeboten, auf Platz 3 das Medienunternehmen SKY. Oh, bisher hatte ich nicht gewusst, dass SKY auch in Pharma macht. Aber um es mit Lothar Matthäus zu sagen „Again what learned“.
Sichtung der Matches – die Passung zu den Unternehmen
Nach und nach klicke ich mich durch die angezeigten Matches. Und frage mich wieder: Was genau bedeutet 71% Match mit der Personalberatung?
Sollte ich jetzt dort anfangen, weil die Kultur ja doch recht gut passt – wo ich doch eigentlich als Raumfahrtler viel lieber in der Gesundheitsbranche geblieben wäre? Naja, in Zeiten von #AllesIst4.0 und #Fachkräftemangel darf man vielleicht nicht so wählerisch sein.
CompanyMatch Premium-Kunden matchen besser?
Plötzlich bekomme ich eine Einblendung, dass ich aufgrund meines hohen Matches mit der Manpower Group (wo bitte stand das vorher?) eine Nachricht des Unternehmens erhalten habe. Hä? Ich erfahre, nun von Manpower, dass Gutes zu tun mit Spaß und Erfolg zur DNA des Unternehmens gehört.
Oder bewerbe ich mich dann doch lieber bei Manpower? Klingt doch super alles! Vor allem das mit dem Spaß als Unternehmensprinzip.
Cultural Match versus Wunschunternehmen
Dann entdecke ich in einer Leiste mit weiteren Matches den Arbeitgeber Hunkemöller. Ich definiere für den Test mal, dass dies eines meiner Wunschunternehmen sei, wenngleich Raumfahrtanzüge wahrscheinlich etwas mehr Stoffanteil haben als die meisten Kleidungsstücke aus der Hunkemöller-Kollektion. So what.
Ich schaue mir meinen Match mit meinem neuen Wunsch-Arbeitgeber mal genauer an: Nur 47%. Eine gute Basis, aber da geht doch noch was.
Daher greife ich zu einem genialen Trick. Schnell ein Klick auf „Abmelden“ und dann als neue Testperson mit anderer E-Mail-Adresse wieder neu registriert.
Wenn Matching zum Selbstzweck mutiert
Die neue Zielsetzung lautet jetzt: Ich will besonders gut mit Hunkemöller matchen. Also rufe ich dazu das auf der Plattform vorhandene Unternehmensprofil auf und markiere mir die für die neue Runde wichtigsten Begriffe.
Das Witzige dabei: Die meisten Begriffe wie „leidenschaftlich“, „leistungsorientiert“ und „kreativ“ sind mir aus meinen letzten Recherchen zum Beitrag „Warum klassische Employer Branding ausgedient hat“ bestens bekannt. Dort standen sie zwar für BMW und Audi. Aber ich will mal nicht kleinlich sein. Immerhin kann man mit der Kleidung von Hunkemöller ja auch in diesen Autos fahren. Passt also irgendwie schon.
Das Unternehmensprofil als Klickvorlage
Mit der neuen Klickvorlage schaffe ich jetzt immerhin einen 81%-igen Match. Warum aber nicht mehr?
Ich ahne Furchtbares und handle natürlich sofort. Aus genauer Beobachtung in diversen Einkaufszentren überall in diesem Land, weiß ich (zufällig), dass ich noch nie einen Mann in einem dieser Läden habe arbeiten sehen. Also ändere ich –ohne mich abzumelden- flugs in den Stammdaten mein Geschlecht. Und denke mir wie Boris Becker damals in der AOL-Werbung in den 90ern „Bin ich schon drin? Mensch, das war ja einfach!“.
Über einen Klick auf die Option, mein Matching mit Hunkemöller durch Beantwortung weiterer Fragen noch genauer machen, geht die nächste Runde los. Seltsamerweise scheinen die Fragen wieder die gleichen zu sein. Wahrscheinlich soll geprüft werden, ob ich mich noch daran erinnern kann. Gehört wahrscheinlich zum Test dazu. Ich klicke mich also selbstbewusst durch. Und kann meinen Match am Ende nochmals leicht steigern, wenngleich nur um 1%.
Wahrscheinlich hätte ich doch bei einer Frage zuerst auf „leidenschaftlich“ (Stand in der Unternehmensbeschreibung) statt auf „serviceorientiert“ (halte ich persönlich im Verkauf für hilfreicher) klicken müssen. Sei es drum!
Matching versus Wahllosigkeit
Sie ahnen es bereits, welcher revolutionäre Vorschlag sich in diesem Moment durch meine Gehirnwindungen zwängt: Ja, genau!
Lassen Sie Ihre eigenen Mitarbeiter einmal in Summe durch das Matching-Musterprofil Ihres Unternehmens laufen!
Ich prognostiziere, dass Sie zumindest eine Gaußsche Normalverteilung erleben werden und ein Großteil der Mitarbeiter meine mittlerweile 82% Matching ungestützt nicht erreichen würden. Weil ich mir zudem ebenfalls nicht vorstellen kann, dass alle Damen des genannten Bekleidungsgeschäfts an der Findung des Cultural Fits des Unternehmens beteiligt waren, könnte es passieren, dass hinter dem Profil am Ende dieses HR-Dingens steht. Diese Typen mit den blauen Anzügen und Krawatten, die sich ständig im Schreiben von tollen Marketingtexten versuchen … und so oft scheitern.
Auf der Suche nach dem Mehrwert
Was habe ich als potenzieller Bewerber bis jetzt eigentlich erreicht? Ich weiß, dass ich so lala zu einer Personalberatung könnte oder in die Medien passe oder doch was mit Gesundheit machen sollte. Und wenn ich es unbedingt will, dann kann ich auch Unterwäsche verkaufen. Letzteres zumindest in der Matching-Theorie. In der Praxis würde mir wahrscheinlich mein reales Geschlecht eher Probleme machen. Ist aber nur so eine Vermutung. Ach ja, und außerdem weiß ich jetzt, dass Manpower die Menschheit mit ganz viel Spaß und Gutmenschentum rettet.
Aber mal ganz ehrlich: Ich suche eigentlich einen Job in einem Unternehmen!?
Wahl des Unternehmens auf welcher Basis?
Nachdem ich fast schon in einen dritten Testlauf starten wollte, entdecke ich, dass trotz stark abweichender Eingaben im Grund noch immer einige Unternehmen Dauergäste in meiner Ergebnisliste sind. Statt diese zu einem gemütlichen Absacker vor dem Schlafengehen einzuladen, will ich nun wissen, auf welcher Datenbasis eigentlich meine Unternehmensvorschläge beruhen. Bei der Suche nach dem einzig wahren Arbeitgeber …
… lese ich etwas von mehr als 400 Unternehmen. Und bin schon enttäuscht.
Noch größer wird die Enttäuschung, als ich auf „Alle Arbeitgeber anzeigen“ klicke und dann eine Liste von Unternehmen erhalte, die CompanyMatch gerne bei sich auf der Plattform hätte. Und für die ich jetzt Voten kann. Falsch. Könnte.
Ich werde müde und breche meinen Test dann doch ab. Immerhin will ich meine Erlebnisse ja schon morgen, also heute, mit Ihnen teilen, liebe Leser.
Fazit zum Praxistest von CompanyMatch
aus Sicht von Jobsuchenden
Das Beantworten der Fragen macht Spaß. Die Anmeldung ist easy und das Durchklicken der Ergebnisse ist witzig. Zumindest beim ersten Mal. Letztlich hält sich mein Erkenntnisgewinn jedoch stark in Grenzen, weil ich nur eine erschreckend niedrige Grundgesamtheit an Unternehmen mit Profil auf der Plattform vorfinde, die mir immer wieder in unterschiedlichen Zusammenstellungen als Top-Arbeitgeber und Best-Match angeboten werden. Bei 4,5 Mio. Unternehmen in Deutschland vielleicht nicht die beste Basis für die Suche nach dem am besten passenden Arbeitgeber. Wobei: Die meisten Bewerber orientieren sich ja auch an Image-Listen mit den sogenannten Top-Arbeitgebern und wollen alle zu diesen. Autsch. Stimmt, die Macht der Marken. Verdammt!
Im Grunde erfahre ich aber auf Companymatch als ein Unternehmen-Suchender nichts von der jeweiligen Unternehmenskultur, weil sich die dort in Unternehmensprofilen eingebaute Begriffe wie aus dem Marketing-Buzzword-Baukasten (Don´t forget the „4.0“, stupid!!) anfühlen. Inhaltsleer. Nicht unterscheidungsfähig.
aus Sicht der dort vertretenen Unternehmen
Es lassen sich zumindest einige Vorteile erkennen: Durch die geringe Anzahl an verfügbaren Unternehmen erscheinen teilnehmende Unternehmen relativ oft in den Ergebnislisten und haben somit gute Kontaktzahlen für ihre Unternehmensprofile auf CompanyMatch. Das ist tatsächlicher ein geldwerter Vorteil.
Allerdings stelle ich die ketzerische Frage, ob die Passung und das Vorgeplänkel mit dem Matching in irgendeiner Weise später Einfluss auf die Bewerbung nehmen? Falls nein, was soll das dann? Falls ja, dann unterlaufen hier einige strukturelle Fehler. Denn ich konnte durch gezielte Vorbereitung, Wiederholung und Datenanpassung mein Profil immer weiter optimieren.
Und mal ganz im Ernst: Würden Sie sich bei einem lediglich 41%-igen Match tatsächlich von einer Bewerbung bei Ihrem Wunscharbeitgeber abhalten lassen? Also ich nicht…
Jetzt frage ich mich nur noch, ob einer meiner Leser bei einem Unternehmen die magische 100%-Matching-Hürde bei CompanyMatch knacken kann…?