Wollten wir nicht alle irgendwann mal was mit Medien machen? Immer eine bunte Welt voller Videos, Fotos, Models, schicker Grafiken und wunderbarer Werbe-Ideen? Coole und lockere Atmosphäre in stylischen Büros mit hippen Kolleginnen und Kollegen. Kunden, die auf wilden Produkt-Launch-Partys in Rooftop-Bars mit fetten Geschenkpaketen für die Agentur um sich werfen? Champus schon am frühen Morgen beim ersten Meeting? Bussi-bussi- und Feelgood-Atmosphäre wohin man schaut? Soviel zum Klische. Aber wie sieht denn die Realität aus? Eine Studie zu Arbeitsbedingungen und Jobzufriendenheit gibt uns nun interessante Einblicke.
Lust oder Frust in der Medienbranche
Studien gibt es wie Sand am Meer. Zwischenzeitlich schein alles irgendwie untersucht zu werden und keine Frage wird dabei ausgelassen. Es hat sich bei vielen Zielgruppen bereits eine Art „Befragungsmüdigkeit“ eingeschlichen. Umso erstaunlicher, dass das Hamburger Karriere-Startup skjlls für ihre Studie über die „Arbeitsbedingungen von Angestellten und Freelancern aus der deutschen Medienbranche“ über 80.000 Einzelantworten von über 1.000 Personen gewinnen konnte. Das ist eine valide Basis für zahlreiche spannende Erkenntnisse, über die ich im nachfolgenden berichte.
Männer verdienen im Schnitt 31% mehr als Frauen
Bääähm. Und gleich wieder ein Genderthema zu Beginn: Männer verdienen über alle Befragten Berufsbereiche wesentlich mehr als Frauen. Am größten scheint die Ungleichbehandlung bei den Konzeptern und Strategen zu sein. Hier werden Männer um über 45% besser entlohnt als Frauen mit der gleichen Tätigkeit. Noch Fragen?
Verdoppelung des Bruttogehalts nach 10-14 Jahren im Job
Was die Gehaltsentwicklung angeht, so scheint sich Berufserfahrung auszuzahlen, denn vom Einstieg in den Job bis zum Erreichen der ersten Arbeitsdekade, verdoppelte sich nach Aussage der Umfrageteilnehmer deren Gehalt. Die ersten Jahre mit rund 2.500 Euro Einstiegsgehalt erscheinen mir für einen Absolventen mit Studium allerdings auch eher mau. Aber wer macht den Job denn auch schon wegen des Geldes allein?
75% der Festangestellten erhalten keinen Überstundenausgleich
Jetzt werden Sie vielleicht einwenden, dass es kaum noch Unternehmen gibt, die überhaupt den Faktor Zeit bei der Entlohnung berücksichtigen. Vielfach wird neben dem Festgehalt eine ergebnisorientierte Vergütung gezahlt. Ob das eine (im wahrsten Wortsinne) „gesunde“ Entwicklung ist, kann gerne diskutiert werden. Da gehen die Meinungen stark auseinander.
Bis zur Rente „verschenken“ Festangestellte in der Medienbranche 6,5 Jahre ihrer Lebenszeit durch Überstunden
Diese Hochrechnung finde ich durchaus beachtlich. Sechseinhalb Jahre im Schnitt sind schon eine Hausnummer! Die Eltern von Kindergartenkindern werden diese Zahl sicher mit ganz anderen Augen betrachten und bewerten. Muss man das weiter kommentieren? Wobei da die Medienbranche sicherlich nicht die einzige Branche mit regelmäßig anfallenden Überstunden ist.
Bessere Jobangebote werden überwiegend angenommen
Laut Studienergebnis verlässt die Hälfte der Befragten den aktuellen Arbeitgeber bei einem attraktiveren Jobangebot ohne zu zögern. Weitere 30% überlegen zumindest und nur rund 10% würden ablehnen. Das lässt tief blicken, was die Bindungswirkung von Unternehmen bzw. Agenturen in der Medienbranche angeht. Fast bin ich geneigt zu fragen, wie es da mit einem attraktiven Aufbau einer Arbeitgebermarke aussieht. Wenn eine Marke bei der Bindung ihrer Mitarbeiter versagt, was ist sie dann wert? Vorne immer viel rein, hinten viel raus. Was für ein Aufwand im Recruiting…?!
Innere Kündigung gerade bei berufseinsteigenden Frauen erschreckend hoch
Was das Thema „innere Kündigung“ angeht, so schockt uns nach der letzten Gallup-Studie doch nichts mehr, möchte man meinen. Immerhin haben demnach 15% aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bereits innerlich gekündigt. Allerdings setzen die weiblichen Teilnehmer der Studie da noch eines drauf: Unter weiblichen Festangestellten geht die Quote innerlicher Kündigungen in den ersten fünf Jahren sogar auf den Topwert von fast 23% (!).
Es zeigt sich allerdings, dass diese Wert im Zeitverlauf dann sehr stark zurückgehen. – Menschen gewöhnen sich anscheinend an alles mit der Zeit. Vielleicht ist es aber auch ein Indiz für eine These meinerseits, dass viele Absolventen sich unrealistische Vorstellungen von der Arbeit in der Medienbranche machen und nur dem cool-hippen Klischee nachhängen.
Der Stress-Level im Job ist beim Berufseinstieg am höchsten
In den ersten zwei Jahren im Beruf geben die fest angestellten Studienteilnehmer die höchsten Stresslevel an. Das verwundert wenig, weil das die Phase des Sich-Profilieren-Müssens ist. Und wahrscheinlich auch die Zeitstrecke, bei der die Neulinge erst einmal die einfacheren Arbeiten erledigen müssen. Immerhin sind sie wirtschaftlich betrachtet die günstigste Arbeitskraft (von Praktikanten mal abgesehen. Nach 3 – 5 Jahren Berufserfahrung sinken diese dann auf den niedrigsten Level. ABER: Das allgemeine Stressempfinden steigt mit steigender Berufserfahrung ebenso kontinuierlich an. Man könnte also sagen: „Je mehr Berufserfahrung, desto weniger Entspannung“.
Work-Life-Balance und Medien gehen nicht zusammen
So schön die beruflichen Tätigkeitsfelder zu sein scheinen. Eines wird mir beim Lesen der Studie klar: Von meinem Traumjob ist diese Branche ein weites Stück entfernt. Da mache ich lieber was „mit Leuten“ oder eben in meiner Freizeit „was mit Medien“.
Demografie der Studienteilnehmer
Abschließend ist es vielleicht noch interessant etwas über die Demografie der Teilnehmer zu sagen:
Mit 57% zu 43% wurden mehr Männer befragt, die im Durchschnitt um die 30 bis Anfang 40 Lenze zählen. Bei der Berufserfahrung dominieren die Arbeitnehmer mit mehrjähriger Berufserfahrung. Also zwischen Young Professional und Professional, wie es so schön heißt.
Rund die Hälfte der Befragten stammt dabei aus Agenturen, der Rest aus Unternehmen und Startups. Der überwiegende Teil betreut digitale Medien oder sowohl digitale (z.B. Web) als auch traditionelle Medien (z.B. Print).