Können Algorithmen menschliche Recruiter ersetzen?

Algorithmen können menschliche Recruiter ersetzen – Das 4. Blind HR Battle

Heute startet die vierte Runde des Blind HR Battles. Diesmal geht es um ein Thema, das ich ursprünglich bereits für September 2014 geplant hatte, aber kurzfristig verschieben musste: Die These, dass Algorithmen die Tätigkeiten eines Recruiters im Recruitingprozess ersetzen können. Möglicherweise ist die Auswahlentscheidung einer Software sogar besser als die eines Menschen. Diese sehr technik-affine Ansicht vertritt Jan Kirchner, Gründer der Digitalagentur Wollmilchsau. Die Flagge des menschlichen Recruiters wird hochgehalten von Michael Witt, Voith Industrial Services, der eben sehr erfolgreich sein Format Recruiter Slam in die HR-Community eingeführt hat.

Wie immer gibt es hochwertige aktuelle Fachliteratur zu gewinnen.

Hier die Argumentation von Jan Kirchner pro Algorithmus im Recruiting:

Jan Kirchner Gründer der Wollmilchsau im Blind HR Battle
Jan Kirchner von der Digitalagentur Wollmilchsau

Algorithmen sind nichts anderes, als verdichtetes durch wissenschaftlichen Datenabgleich verifiziertes menschliches Wissen, das in Regeln (Software) zur Anwendung gebracht und stetig verbessert wird.

Wie bei allen Automatisierungsprozessen ist dazu im ersten Schritt die Analyse der erforderlichen Arbeitsschritte und die Standardisierung des Prozessablaufes erforderlich. Da der Recruitingprozess bereits seit Jahren in feste Ablaufschritte unterteilt ist, werde ich entlang dieses Prozesses darlegen, wie sich die einzelnen Aufgaben automatisieren lassen.

Bedarfsmeldung, Profilerstellung und Ausschreibung auf der Karriereseite

Der Recruiting-Prozess beginnt üblicherweise damit, dass ein Hiring Manager Personalbedarf anmeldet und die Recruiting-Abteilung (nach Freigabe der Einstellung durch das Management) über ein Enterprise-Software-System mit der Ausschreibung beauftragt. Zu Zwecken der Unternehmensplanung und -steuerung sind in vielen Großunternehmen die Organigramme der einzelnen Abteilungen schon heute mit Kompetenzprofilen hinterlegt, so dass die Recruiting-Abteilung zusammen mit der Vakanzmeldung direkt ein fachliches Anforderungsprofil übermittelt bekommt. Dieses Kompetenzprofil ist in der Regel wie eine Stellenanzeige aufgebaut und muss lediglich in das jeweilige Anzeigentemplate eingefügt werden, bevor die Ausschreibung erfolgen kann. Eine klassische Copy and Paste-Aufgabe, die sich durch die Regel „Kompetenzprofil in Abteilungs-Template einfügen und auf der Karriereseite veröffentlichen“ leicht automatisieren und im Moment der Einstellungsfreigabe durch das Management ausführen lässt.

Der Ausschreibungsprozess im Internet

Neben der Karriereseite werden Jobs meist direkt auf Jobportalen im Internet veröffentlicht, um die für ausreichend viel Bewerbungen nötige Reichweite zu erzielen. Personalmarketing-Automatisierungssoftware übernimmt Stellenausschreibungen vollautomatisch von der Karrierewebseite und übermittelt sie an Jobsuchmaschinen, die Arbeitsagentur und andere Standardkanäle. Für diesen Schritt braucht man also bereits heute keinen Recruiter mehr.

Der Vorauswahl-Prozess

Nach der Ausschreibung gehen nun über die Karriereseite die Bewerbungen ein. Unternehmen, bei denen das Bewerberaufkommen die zur Sichtung und Filterung der Bewerbungen vorhandenen Zeitressourcen übersteigt, setzen bereits seit einigen Jahren Keyword-Matching zur Vor-Filterung ein und sagen automatisch alle Bewerber ab, die durchs Raster fallen. Eine im System hinterlegte Verzögerung der Absage um einige Tage sorgt dafür, dass Kandidaten sich wertgeschätzt fühlen und die Arbeitgebermarke nicht leidet. Bei Google gibt es darüber hinaus noch einen Prozess zur Re-Evaluierung abgesagter Kandidaten, um Fehler aus der ersten Stufe wieder auszubügeln.

Persönliches Assessment und nähere Auswahl

Die nach der Vorauswahl verbliebenen Kandidaten erhalten nun normalerweise eine Einladung zum Interview, die in der Regel ein Standardschreiben ist, welches sich ebenso wie die Absage leicht automatisieren lässt. In Unternehmen, die systematisch auf Persönlichkeitsdiagnostik setzen, geht diese Email-Einladung bereits heute mit der Aufforderung einher, einen Online-Persönlichkeitstest zu absolvieren. Auf dieselbe Weise ließen sich in das Online-Assessment auch Intelligenztests und Tests zur Analyse der Team-Bewerber-Passung, wie bspw. das relativ weitverbreitete Team-Management-Profil (TMP) eingliedern, welches ebenfalls online absolviert werden kann. Sofern bei der Personalanforderung ein entsprechendes Bedarfsprofil mitgeliefert wird, lässt sich der Vergleich in Form eines 1-0 Abgleichs (passt/ passt nicht zur Anforderung) ebenfalls ohne größere Probleme automatisieren. Falls nicht vorhanden, müssten vorab lediglich Schnittstellen zur Datenübergabe programmiert werden. Im Ergebnis bleiben von der Vorauswahl nun nur noch eine Handvoll in Frage kommender Kandidaten über, ohne dass ein Recruiter nötig gewesen wäre. Hier sind sicher noch Ergänzungen denkbar, wie beispielsweise verschieden strikte Auswahlkriterien, mit denen sich die Zahl der verbleibenden Kandidaten beeinflussen lässt (ähnlich der Anpassung von Notenschemata an Unis, wenn zu viele Studis durch die Prüfung rauschen).

Fachliches Assessment & Einstellungsgespräch

In der Endauswahl geht es nun nur noch um die letzte Prüfung der fachlichen Passung und die Verhandlung des Gehalts. Da es für Gehälter in Großorganisationen meist feste Vorgaben in Form von Gehaltsspannen gibt, lassen sich im Vorauswahlprozess durch die übliche Abfrage des Wunschgehalts und den Abgleich mit der Gehaltsspanne prinzipiell alle Kandidaten aussieben, die zu zu hoch (und zu niedrig!) liegen, so dass eine grundsätzliche Passung zum Kompensationsschema des Unternehmens gegeben ist. Womit nur noch das Einstellungsgespräch bleibt. Das führt der Hiring Manager aus der Fachabteilung, der fachlich Auskunft erteilen kann und häufig ohnehin entscheidet, wer eingestellt wird.


Und das ist die Gegenposition pro Faktor Mensch im Recruiting von Michael Witt:

Michael Witt beim Blind HR Battle
Michael Witt von Voith Industrial Services

Die Reduktion von Recruiting auf einen statischen End-to-End Prozess, der mit der Ausschreibung einer Vakanz beginnt und mit ihrer Besetzung endet, greift für die berufliche Kunstform „Recruiting“ deutlich zu kurz. Im Recruiting wirken verschiedenste Kräfte, Faktoren und Prozesse die zeitgleich Treiber und Unterstützer des Recruitings sind. Um dieses notwendige Gefüge unterschiedlicher Disziplinen auf Kandidaten und Bewerber fokussiert wirkungsvoll zu vereinen benötigt es: Recruiter!

Target efficiency – der Weg zum Bewerber

Einer der Schlüsselkompetenzen des Recruiters ist das zielgerichtete Auffinden und die individuelle Ansprache der Zielgruppe. In einem der volatilsten Arbeitsumfelder müssen sich demnach Prozesse dynamisch anpassen lassen und können keinen starren Regeln folgen. Um zur Zielgruppe zu gelangen muss der Recruiter „um die Ecke“ denken und neue Wege finden. Manchmal muss er auch in einem gewissen Maße Regeln brechen und bewusst Brüche eingehen um zum Ziel zu kommen.

Deswegen darf das Recruiting nicht zur reaktiven Disziplin werden, die erst dann aktiv wird, nachdem es eine Vakanz gibt. Das Ziel eines Recruiters ist es, den Bewerber zu kennen, bevor er die Vakanz kennt. Diese höchst effektive Form des Recruitings lässt sich nur durch persönlich gewachsene Netzwerke und Kontakte realisieren. Networking, Talentpooling und Re-bound Recruiting sind dafür moderne Formen die auf den persönlich gewachsenen Kontakt aufbauen und die soziale Interaktionsfähigkeit des Recruiters zum Gelingen und somit zum Erfolg maßgeblich beiträgt.

Der erste Kontakt

Weiche Faktoren, so zeigen verschiedenste Studien, nehmen bei der Wahl des Arbeitsgebers eine zunehmend wichtige Rolle ein. Werte, Normen und Kultur rücken in die zentrale Wahrnehmung der Bewerber und werden innerhalb eines Unternehmens von seinen Mitarbeitern geprägt. So liegt es doch auf der Hand, dass der Botschafter dieser wichtigen Alleinstellungsmerkmale nur ein unmittelbarer Träger dieser Merkmale sein kann: der Recruiter.

Er ist auf dem Bewerbermarkt präsent, bietet sich online in Social- und Businessnetworks und offline auf Jobmessen und Recruitingevents zum Gespräch an und transportiert durch seine Persönlichkeit die Werte, Normen und die Kultur seines Unternehmens. Durch den Recruiter wird ein Unternehmen persönlich und ein Stück greifbarer, er verleiht ihm ein Gesicht. Das öffentliche Handeln und die persönliche Kommunikation eines Recruiter zahlt unmittelbar auf den Employer Brand eines jeden Unternehmens ein und hat somit einen starken Impact bei der Wahl des Wunscharbeitgebers.

Der Spiegel der Wahrheit – Perspektivwechsel

Entscheidet sich ein Kandidat, sein Interesse in Form einer Bewerbung zu bekunden, so ist dies ein Vertrauensbeweis für das Unternehmen seiner Wahl. Dieses Vertrauen gilt es nicht zu enttäuschen, sondern zu stärken und vertrauensbildend und individuell auf den Bewerber einzugehen. Schauen wir uns den hierfür gebräuchlichen Fachbegriff „Candidate Expierience“ genauer an, so stellt man schnell fest, dass es die ausschlaggebenden Ausprägungen keine technische Natur aufweisen: Erreichbarer Ansprechpartner, verbindliche Aussagen, klare Kommunikation, Abgleich gegenseitiger Erwartungen, Prozessbegleitung, guter erster Eindruck, verstanden und ernstgenommen werden. All dies impliziert, dass wiederum hier nur der Recruiter dieses individualisierte „Auf-den-Bewerber-Einlassen“ beherrschen kann. Eine Maschine kann dies nicht.

Die Komplexität im Griff – der #Umberto macht´s

Komplexität erfordert Spezialistentum. Komplexe Situationen zu erkennen und umfänglich zu verstehen, Faktoren zu intergieren und auszublenden und zur richtigen Zeit die richtigen Fragen zu stellen benötigt Erfahrungs- und Handlungswissen dass in diesem Reifegrad nur ein Spezialist nachweislich haben kann: der Umberto.

Er ist geschult, Recruiting Spezialist und ausgebildete in sämtlichen Facetten des Recruitings. Er ist in allererster Linie Ansprechpartner, Mensch und Wegbegleiter für Interessenten, Kandidaten und Bewerber. Er ist extern das Aushängeschild des Unternehmens, Botschafter der Marke, sein Kommunikator. Intern ist er Berater, Visionär und Botschafter. Er ist Bindungsglied verschiedener Welten, steuert, moderiert und coacht sie. Er erkennt Neues, setzt Trend und Maßstäbe. Er weiß wohin der Weg geht und nutz dafür die Technik. Er ist Meister seines Fachs!

Abschließend bleibt festzuhalten, dass technische Singularität nur in Science Fiktion möglich ist und die Zielrichtung bei Robotern technisch immer vorgegeben wird, beim Menschen nicht. Somit ist es eine grundsätzliche Richtungsentscheidung für Unternehmen mit welchem kulturellen Mind-Set es sich identifiziert und wie es sich entsprechend am Bewerbermarkt positioniert.


Das Voting

So, nun liegt es an Ihnen, liebe Leser, den Sieger dieses Blind HR Battles zu küren.

Das Voting ist beendet. Die Ergebnisse des 4. Blind HR Battle finden Sie hier.

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Stefan Scheller

Autor und Speaker Persoblogger Stefan SchellerMein Name ist Stefan Scheller. In meiner Rolle als Persoblogger und Top HR-Influencer (Personalmagazin 05/22) betreibe ich diese Website und das gleichnamige HR Praxisportal. Vielen Dank für das Lesen meiner Beiträge und Hören meines Podcasts Klartext HR!

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