Dass gefühlt täglich neue Onlineplattformen im Bereich Employer Branding, Personalmarketing, Recruiting oder Karriere aus dem Boden schießen, ist nichts Neues. Auch berichte ich ab und an von besonders sehenswerten Plattformen. Durch einen Anruf des Betreibers der Plattform Gradeview kam ich letzte Woche in Kontakt mit dieser cleveren Geschäftsidee, die das Potenzial hat, sogar kununu mittelfristig das Wasser abzugraben.
Was wie eine amerikanische Website klingt, ist eine Erfindung des deutschen Studenten Max Weber. Er wollte eine Onlineplattform schaffen, mit der Studierende ihre Noten online verwalten und berechnen können und gleichzeitig Informationen darüber erhalten, wie sie im Vergleich zu anderen (des Studiengangs/der Hochschule) stehen.
Ausgehend von diesem Grundgedanken hat sich die Geschäftsidee clever weiter entwickelt. Grund genug, mir Gradeview einmal näher anzusehen.
Hier mein Testbericht, für den ich mich kurzzeitig wieder in die Rolle eines Studierenden kurz vor dem Studienabschluss versetzt habe:
Gradeview aus Studentensicht
Nahezu alle modernen Webseiten nutzen derzeit die grafischen Möglichkeiten eines Banners im Stil eines „großen Kinos“. Das wirkt vertraut und ist erprobt. Ein Erklärvideo brauche ich echt nicht, ich melde mich gleich via Facebook an. Alternativ ginge dies auch mit einer klassischer Registrierung. Es klappt perfekt. Ich bin drin…
Die Navigation erscheint mir sofort eingängig und lässt mich intuitiv zum ersten sinnvollen Menüpunkt springen: Der Eintragung meiner Studienfächer sowie weiterer grundlegender Daten.
Noten und Creditpoints verwalten
Anschließend gehe ich schnell ans Eintragen der erzielten Noten beziehungsweise der Creditpoints. Immerhin habe ich mich ja genau deshalb bei Gradeview angemeldet.
Daraufhin wird mir benchmarkartig dargestellt, wie ich im Vergleich zu anderen mit meinen Noten abschneide:
Saucool!! Das sieht wirklich übersichtlich aus. Und motiviert mich zum Weitermachen.
Mit dem Rückwärtsrechner zur angestrebten Gesamtnote
Auch einen sogenannten Rückwärtsrechner haben die Macher eingebaut, über den ich nun erfahre, wie ich zu meiner angestrebten Gesamtnote kommen kann.
Eine nützliche Funktion, wenn es darum geht, entsprechende Angaben in meinem nächsten Bewerbungsanschreiben zu machen. Das wollen die Personaler doch immer wissen, oder?
Die Jobsuche mit Gradeview
Wenn ich jetzt schon weiß, mit welcher Note ich mein Studium am Ende voraussichtlich abschließen werde, kann ich eigentlich gleich mal nach dem passenden Job für mich suchen.
Gradeview zeigt mir entsprechende Stellenangebote an, die zu meinem Profil passen.
Hm, vielleicht mag ich aber auch nochmal stöbern, welche Unternehmen grundsätzlich zu mir passen bzw. wer einen wie mich sucht. – Ein Klick auf den Menüpunkt „Unternehmen“ und schon sehe ich:
Wie es wohl bei den dargestellten Unternehmen im Arbeitsalltag so zugeht? Moment mal! Da sehe ich einen Menüpunkt, der mir irgendwo schon einmal begegnet ist. Mal nachdenken …
„Bewertungen“ von Unternehmen? Das klingt doch nach … das ist doch … – ja, genau. Das sieht aus wie kununu! Hey, aber hier gibt’s noch viel mehr Infos über das Unternehmen, die ich auf kununu nicht finde, zum Beispiel Angaben zum Gehalt.
Hm, da hatte doch mal einer im Netz etwas gebloggt, warum das mit Gehaltsdatenbanken im Social Web bisher nicht so funzt. Gefunden! Der Persoblogger hatte damals Companize getestet. Aber irgendwie macht das trotzdem total Sinn auf Gradeview und gehört irgendwie dazu.
Ich freue mich jedenfalls über die Zusatzinfo und sehe mir gleich mal das gesamte Unternehmensprofil an.
– Rollenwechsel –
Gradeview aus Unternehmenssicht
Unternehmensprofile gibt es so einige im Internet. Nur wenige heißen „Employer Branding Profil“. So aber auch das von Gradeview. Die Darstellungsmöglichkeiten entsprechen in etwa denen des gleichnamigen Employer Branding Profils auf kununu. Lediglich die speziellen Auszeichnungen „Open Company“, „Top Company“ und „Top nationaler Arbeitgeber“ finden sich selbstredend hier nicht.
Aussagekräftige Statistiken über die Besucher
Stattdessen findet sich ein extrem spannender Menüpunkt auf Gradeview, der ein echter „kununu-Killer“ werden könnte: Die Statistiken über die Besucher des Unternehmensprofils. Zwar stellt auch Gradeview wie der Marktführer kununu die Anonymität von abgegebenen Unternehmensbewertungen sicher.
Dennoch erfahren Unternehmen bei Gradeview in einer Statistik wesentlich mehr über die Besucher ihres Employer Branding Profils, zum Beispiel deren Studienort, Studiengang bzw. die Studienart.
Das ist ein wesentlicher Mehrwert, denn außer bei eingeloggten XING-Usern ist eine Ansicht von Profilbesucher nur selten möglich – und bei Facebook schon prinzipiell nicht gewollt.
Unternehmen haben somit erstmals die Möglichkeit zu erfahren, welche Zielgruppen sie mit ihrem Employer Branding Profil tatsächlich (!) erreichen. So etwas fehlt bei kununu komplett.
Klasse Idee, Gradeview´ler!
Gradeview nutzt kununus konzeptionelle Schwäche
Kununu hat seine Kernfunktion aktuell komplett auf die Bewertungen von Unternehmen gelegt. Dabei verfolgen die Poreda-Brüder bisher eine „fire-and-forget“-Strategie bzw. ermuntern ungewollt hierzu. Gerade die häufig kritisierten Expressbewertungen via XING sorgen zwar für eine Vielzahl von Bewertungen und machen kununu daher zum Marktführer. Allerdings ist der Mehrwert für eine erneute Nutzung von kununu durch den Bewertenden aktuell nicht ersichtlich. Wenn der Nutzer nicht gerade das Unternehmen wechselt, gibt es eigentlich keinen Grund sich weiter auf der Plattform aufzuhalten.
Anders bei Gradeview: Da spätestens nach jeder Klausur neue Noten eingepflegt werden wollen, gibt es einen Anreiz für eine weitere Nutzung. Auch sind ausreichend Nutzerdaten hinterlegt, die einerseits für eine vermeintlich hochwertige, nicht gefakte Bewertung sprechen. Zum anderen haben Unternehmen hier eine echte Kontaktmöglichkeit. Diese Dialog-Optionen sind bei kununu kaum möglich und wurden ebenfalls häufig kritisiert.
Warum kununu trotzdem noch einige Zeit Marktführer bleiben wird
Gradeview ist nicht in erster Linie angetreten, um kununu vom Thron zu stoßen. Würde es aber, abhängig davon, wie sich die Nutzerzahlen entwickeln. Denn Gradeview lebt von einer sehr hohen Datendichte. Nur dann machen Benchmarks und Vergleiche auf der Ebene Studiengänge und Hochschulen Sinn. Gleiches gilt für Gehaltsvergleiche.
Kann Gradeview hier jedoch weiterhin sein rasantes Wachstum fortsetzen, von dem es auf seiner Seite berichtet
und wird das Ziel von 10.000 Nutzern in Kürze erreicht, dann schreibe ich dem Portal sehr gute Chancen zu. Zudem wildert das Portal ebenfalls im Hoheitsgebiet von MeinProf.de. Zumindest zeigt die kleine unscheinbare Umfrage auf der Seite das Potenzial, das in den Nutzerdaten noch schlummert.
Warum Gradeview kununu ernste Konkurrenz machen könnte:
- Echter Nutzwert für Studierende
- Potenzial zu einer Langzeitnutzung bzw. wiederholten Nutzung
- Wertvolle Statistiken für Unternehmen bezüglich der gesuchten Zielgruppen
- Umfangreiches Employer Branding Profil mit Anschlussfähigkeit zu kununu zu einem günstigeren Preis
- Communitygedanke durch echte Nutzerprofile bringt Nutzer und Unternehmen in Dialog
HR-Community aufgemerkt!
Ich werde die studentische Plattform Gradeview auf jeden Fall weiter im Auge behalten und bei spannenden Weiterentwicklungen darüber berichten. Was meint Ihr?
12 Antworten
Ich habe mir auch bereits die Plattform angesehen und bin hier wirklich zweigeteilter Meinung:
Ein angehender Betriebswirt oder Ingenieur ist sicher sehr an seinen Noten und dem entsprechenden Benchmark interessiert. Wahrscheinlich der BWLer noch mehr als der Ingenieur, allerdings sehe ich hier kaum Potential für kreative Studiengänge und die IT, welches wiederum meine Zielgruppe wäre. Hier spielen Noten eine sekundäre Rolle und der Benchmark zwischen den Studenten findet kaum statt, da diese eher uninteressant erscheint. Allerdings aus Sicht des motivierten BWLers eine gute Plattform, um seine Karriere zu planen und das passende Unternehmen zu finden – somit auch ein guter Platz, um entsprechende Bewerber zu finden.
Danke, Tina, für Deinen Hinweis, mit dem Du sicher Recht hast.
Auf welche Plattform bzw. welches Format springt denn Deiner Meinung nach der vielgesuchte IT´ler am ehesten an?
Das ist ein wenig schwierig. Es gibt ein paar gängige Foren und Blogs, die ITler gern besuchen – sehr oft mit technischem Hintergrund, um Probleme zu lösen und sich auszutauschen, aber nicht um sich direkt mit anderen Studenten zu vergleichen oder Jobbörsen zu wälzen. Empfehlungen laufen gut, über eben diese Blogs und Foren, die einen speziellen informativen Hintergrund haben. Bekannte Formate, wie C’t oder Computerbild, Heise werden gern gelesen. Außerdem ist Google oft der erste Anlaufpunkt zur Problemlösung – Stichwortsuche. Das Problem …. alles sehr spezifisch und eher nischengebunden. Aber eben umso effektiver mit einem guten Kommunikationsplan und weniger offensiver Vorgehensweise. Hier geht einfach vieles über spezielle Fachthemen. Man darf einfach nicht DEN ITler suchen, sondern diesen spezifizieren nach seinen Qualifikationen, Kenntnisse und möglichen Suchen.
Hi Tina,
schön, dass Dir GradeView prinzipiell gefällt. Ich habe eben nochmal in die Datenbank geschaut: Aktuell studieren rund 14 Prozent aller unserer registrierten Nutzer in IT-bezogenen Studiengängen. Auf GradeView lässt sich also auch diese Zielgruppe erreichen 🙂
Viele Grüße
Max von GradeView
Toller Artikel, welcher Lust auf mehr macht und ich persönlich finde es immer reizvoll, wenn etablierte Plattformen ein wenig Konkurrenz erhalten.
Als „Studiumsabbrecher“ fände ich es aber höchst reizvoll und auch im Sinne von vielen kaufmännisch oder technisch Auszubildenden, wenn diese Zielgruppe mit aufgenommen würde. Denn einerseits jammern die Unternehmen immer, dass es zu wenig fähige Azubis gäbe und andererseits könnte so eine Plattform den Ehrgeiz einiger junger Talente vielleicht wecken. Ganz nach dem Motto, wenn du Porsche-Entwicklungstechniker werden willst, musste halt auch ein bisschen Lernehrgeiz und gute Noten zeigen. ;-))
OK, dass ist natürlich reichlich plakativ und greift zu kurz, aber mir gefällt insbesondere, dass hier Unternehmen auch etwas von so einem Arbeitgeber-Profil haben. Nämlich den berühmten Mehrwert.
Ich wünsche dem Team von GradeView alles Gute und freue mich über weitere News in Bezug auf diese Firma und deiner HR-Tool-Watchlist.
Grüße aus Bayern
Marc Mertens
Hallo Marc, danke für Deinen Hinweis. Ich werde ihn den Gradeview-Leuten weitergeben.
Wir haben einen persönlichen Kennenlerntermin in Planung. Dahe gerne her mit weiteren Anregungen und Ideen!!
Das werde ich, Christoph, das werde ich. Und ich bin ja selbst auch kununu-Fan.
Aber es braucht Weiterentwicklungen – vor allem solche, die den Nutzern etwas bringen – nicht nur dem Geldbeutel des Anbieters.
Ich bin ja (fast seit Beginn) überzeugter kununu Fan. Würde mich aber definitiv freuen wenn Du Deinen letzten Satz wahrmachst: Weiterentwicklungen beobachten – bin schon sehr gespannt!
Ich bin hin und her gerissen. 10.000 Nutzer hauen mich noch nicht vom Hocker, auch die Engführung auf Studenten wird kununu noch keinen Schrecken einjagen. Warum sollte ich das Tool nach dem Studium weiter nutzen? Hier braucht es noch weitere Funktionalitäten, die auch für Berufserfahrene spannend sind.
In Sachen zielgruppenfokussiertem Hochschulmarketing könnte gradeview aber ein Werbeinstrument werden, über das sich nachzudenken lohnt.
Vielen Dank für den Kommentar, Stefan Reiser. Ja, natürlich sind 10.000 Nutzer kein Schreckgespenst für kununu. Aber mir ging es in dem Beitrag eher darum aufzuzeigen, wo die strukturellen Schwächen von kununu liegen und wie andere Plattform die Grundidee von Arbeitgeberbewertungen nutzerfreundlich weiterentwickeln. Auch darf man nicht vergessen, dass Gradeview.de ein studentisches Startup ist und natürlich nicht (von Anfang an) die Schlagkraft eines Marktführers in einem großen finanzkräftigen Konzern hat. Aber wer weiß – vielleicht lassen sich die kununu-Macher umgekehrt auch inspirieren?
Wie es mit Gradeview weitergeht, wird vor allem davon abhängen, wie die weitere Businessstrategie aussieht und welche Finanzkraft in die Verbreitung der Plattform fließt. Davon ausgehend, dass die Grundidee bei den Studis trägt, sollte Gradeview auf so mancher „HR-Watchlist“ stehen.
Auch kam mir der Gedanke, die Macher von Gradeview mit einem anderen studentischen Startup zusammen zu bringen, über das ich in Kürze berichten werden. Möglicherweise lässt sich gerade der „Von Studenten – für Studenten“-Gedanke gemeinsam werbetechnisch in weitere Höhen bringen.
Was die Weiterentwicklung von Gradeview angeht, so gibt es aus meiner Sicht viele Szenarien. Die Praxis hat jedoch gezeigt, dass Plattformen gut daran tun, zu anfangs einer sehr spitzen Zielgruppe passgenau Funktionen zu bieten und sich nicht sofort zu diversifizieren. Und ob die Professionals tatsächlich Zielgruppe werden müssen, weiß ich nicht. Der Studi-Charm wiegt in meinen Augen fast stärker.
Danke für die Einblicke Stefan. Ist jetzt auf meiner Whatchliste. Magst Du mir den Kontakt zum Gründer auf XING oder LinkedIn herstellen bitte.
Ach ja, bin nächste Woche wieder aus dem Urlaub und würde gern unser Telefonat nachholen.
Lg
MiSha
Mache ich beides gerne. Bin auch am Montag wieder aus dem Urlaub zurück und hab heute an das ausstehende Telefonat gedacht.