Employer Reputation statt Employer Branding?

Employer Reputation statt Employer Branding? Braucht es überhaupt eine Arbeitgebermarke?

Angeregt durch einen Beitrag im Personalmagazin 5/14 von Bernhard Schelenz sowie Torsten Bittlingmaier unter dem Titel „Mehr als eine Marke“, greife ich die dort diskutierte These „Employer Reputation“ statt „Employer Branding“ gerne auf. Ja, ich gehe sogar noch einen Schritt weiter und frage, ob es diese ganzen Themen rund um die Arbeitgebermarke überhaupt braucht?

Auch auf die Gefahr hin, dass ich mir damit ein wunderbares Thema für ein Blind HR Battle nehme, möchte ich dazu einige drängende Gedanken loswerden und gerne eine entsprechende Diskussion anstoßen.

Was meint Employer Reputation?

Zu Beginn stellt sich natürlich erst einmal die definitorische Frage, was Employer Reputation genau meint. Dabei muss ich deutlich unterscheiden, zwischen der Definition der Artikelautoren und meinem eigenen Verständnis.

Die Autoren des Berichts nennen Employer Reputation die Weiterentwicklung des Employer Brandings durch Einbettung in einen strategischen Gesamtrahmen, der über das Spielen reiner Kampagnen weit hinausgeht. Es beziehe insbesondere die Mitarbeiter stärker mit ein, die als Botschafter des Unternehmens die Reputation gegenüber allen Stakeholdern durch aktive eigene Kommunikation nach außen verbessern

Mein abweichendes Verständnis von Employer Reputation gründet bereits auf dem Begriff „Reputation“ selbst. Übersetzt bedeutet es nichts anderes als den „Ruf“ oder das Image des Untenehmens in der Öffentlichkeit. Dieser Ruf ist erst einmal komplett losgelöst von jeglichem IST-Zustand, also z.B. der konkreten Unternehmenskultur. Somit ist dieser per se wesentlich flüchtiger und unterliegt stärkeren Schwankungen. Auch lässt sich dieser Ruf durch einzelne Vermarktungsaktionenwesentlich leichter pushen und werblich stützen – selbst wenn nichts vom Versprochenen tatsächlich im Unternehmen gelebt wird. Daher kann Employer Reputation niemals tiefgreifender sein, als die Kernwerte der Markenidentität.

Employer Branding ist mehr als nur bunte Kampagnen

Auch unterliegen die Autoren in meinen Augen einem falschen Bild von Employer Branding. Denn echtes Employer Branding geht weit über das Erzeugen eines externen Images hinaus. Vielmehr bedarf es sogar wesentlich mehr Invest in Kulturarbeit, also dem Wirken nach Innen, als bunte Kampagnen medial zu spielen.

Das gilt um so mehr, wenn die aktuell gelebte Kultur im Unternehmen von der im Rahmen der Arbeitgebermarke definierten Zielkultur abweicht. Und das ist viel häufiger der Fall als man denkt.

Denn was nutzt dem Unternehmen ein guter Ruf, wenn er letztlich nicht der gelebten Realität entspricht. Oder im Fachjargon: Das im Rahmen von Personalmarketing-Maßnahmen kommunizierte Arbeitgebermarkenversprechen muss nach dem Eintritt in das Unternehmen durch die vorgefundene Kultur tatsächlich gehalten werden.

Dazu bemühe ich seit Jahren den immer gleichen Satz: Die Kraft der Marke kommt von innen!

Jedoch kann ich den Autoren ihre Einschätzung über die Inhalte des Employer Branding gar nicht verübeln. Denn sie haben faktisch gesehen sogar Recht: Viel zu viele Unternehmen denken tatsächlich zu sehr in Kampagnen und setzen Arbeitgeberimage mit Vermarktungskampagnen gleich, die genausogut auf einen maximalen Produktverkauf abzielen könnten. Dabei geht es im Bereich Arbeitgebermarke um weit mehr.

Personalmarketing erfordert auch von Agenturen Spezial-Knowhow

Übrigens auch ein Grund, warum ich persönlich sehr skeptisch bin, ob Allrounder-Agenturen die richtigen Ansprechpartner für Arbeitgebermarketing-Kampagnen sind. Wer heute Hundefutter bewirbt und morgen Anti-Aging-Cremes, der hat noch lange keine Expertise im Bereich Personalmarketing. Das mag im Einzelfall so sein, zwangsläufig ist dieser Zusammenhang für mich nicht.

Hundebabies

Während mit dem Verkauf eines Produktes der Auftrag des Marketings endet, geht es im Bereich Arbeitgebermarke jetzt erst los. Denn der über die Vermarktung der Arbeitgebermarke gewonnene neue Arbeitnehmer muss in der für ihn neuen Arbeitskultur Halt und Bindung finden. Im Produktverkauf ist das oft nur sekundär wichtig, denn die Kampagnen für die neuen Produkte stellen die bisherigen Produkte eh als weniger kaufenswert hin. Ich sag nur, Rasierer mit 3, nein 4, nein 5 Klingen. Deos mit 12, nein 24, nein, jetzt 48 Stunden Schutz. Waschmittel als Pulver, nein flüssig, nö, Tabs, ach was, Gel. Sie verstehen was ich meine?

Ein Arbeitgeber bietet den Ort, an dem ich einen Großteil meiner werktäglichen Wachzeit, ich mag sogar schreiben Lebenszeit verbringe. Da zählen andere Werte. Der Ruf beziehungsweise das Image von Arbeitgebern ist sehr flüchtig, die Marke als gelebter Wert bleibt.

Womit wir wieder beim alten Thema Authentizität wären. Das war schon immer eines der wichtigsten und trotzdem am häufigsten vernachlässigten Themen im Employer Branding. Wozu das mit neuem Namen als Employer Reputation verkaufen? Die Unternehmen haben noch genügend Hausaufgaben im Bereich Employer Branding zu machen.

Braucht es eine Arbeitgebermarke überhaupt?

Aber was, wenn ich jetzt die oben angekündigte Frage stelle, ob es denn eine Arbeitgebermarke tatsächlich braucht beziehungsweise sich diese Hausaufgaben überhaupt lohnen?

Darüber kann man tatsächlich diskutieren, ernsthaft. Diese Frage stelle ich mir immer wieder, zuletzt bei der Preisverleihung der Universum Global Awards letzten Monat in Stuttgart.

Arbeitgeber wie Audi oder andere große Automobilhersteller dürften sich die Frage nach der Arbeitgebermarke eh aus einer anderen Perspektive stellen. Denn wer ganz oben auf dem Siegertreppchen der Bekanntheit und Beliebtheit steht, der hat ein um ein Vielfaches erhöhtes Bewerber-Grundrauschen an Initiativbewerbungen.

Die Strahlkraft der Marke insgesamt, lässt den Aspekt Arbeitgeberimage daneben vollkommen verblassen. Dies hat auch Bernd Konschak kürzlich wieder in einem Versuch eindrucksvoll bewiesen. Danach hat das Arbeitgeberimage neben dem Markenimage insgesamt so gut wie keine Daseinsberechtigung.

Bezogen auf die großen Marken mit sexy Produkten bezogen heißt das für mich, dass dort nicht die Quantität, sondern vielmehr die Qualität die große Herausforderung für die Recruiter ist. Aus vielen Tausend Bewerbern effektiv und bestenfalls auch effizient die Passendsten herausfinden. Oder noch viel bessser: Auf Basis eines sauber herausgearbeiteten Arbeitgeberimages schon nur diejenigen Bewerber anziehen, die man für das Unternehmen haben will.

Nun aber mal die kritische Frage in die Runde: Können Sie aus dem Stand heraus sagen, wie sich beispielsweise Audi und BMW, die ja sogar regional in engen Märkten gemeinsam fischen, in Punkto Arbeitgeberimage unterscheiden? – Ist man bei Audi nur erfolgreich mit „Karriere durch Technik“ und hat bei BMW stattdessen mehr „Freude am Arbeiten“?

Arbeitgebermarke als Einheitsbrei - Employer Reputation?

Die Arbeitgebermarke versinkt im Einheitsbrei

Hilft es, die ewig gleichen Karrierechancen zu betonen, das prima Klima (in Lima), die kostenfreie Cola (in Angola) oder etwa die anspruchsvollen Aufgaben beim Marktführer (die beide Marken je nach Kategorie für sich beanspruchen).

Das könnte genausogut die Positionierung einer großen Beratungsgesellschaft oder die eines Kosmetikherstellers sein. Und das Abbilden entsprechender Premiumfahrzeuge in Recruitingunterlagen sowie Stellenanzeigen kann auch kaum differenzierend sein. Denn erstens wird ein Werkstudent im Controlling selten einen R8 als Dienstwagen erhalten, genausowenig wie der Personalreferent bei BMW mit einem eigenen X6 dienstlich gesegnet sein dürfte. – Im Gegenteil. Bei Nicht-Automobil-Unternehmen dürfte die Auswahlmöglichkeit bei Dienstwagen ungleich höher sein, zumindest was die Markenvielfalt angeht.

Jetzt mag man das als Luxusproblem abtun, vor allem wenn man als Personalmarketingverantwortlicher eines Unternehmens noch an der Bekanntheitsfront kämpft. Von Unternehmen, die zusätzlich an der Beliebtheit scheitern, will ich an dieser Stelle gar nicht erst schreiben.

Spielt die Employer Brand neben der Corporate Brand eine bedeutende Rolle?

Die entscheidende Frage für mich ist tatsächlich, welche eigenständige Rolle die Arbeitgebermarke neben der Corporate Marke spielt. Und ob das, was wir als Arbeitgebermarke erarbeiten und verkaufen nicht letztlich nur Zeichen unserer Sprachlosigkeit ist, über das, was ganz normale Hygienefaktoren im Entscheidungsprozess für einen Arbeitgeber sind.

Es ging doch auch schon vor dem Employer Branding Trend um die gleichen Fragen: Wo werde ich arbeiten, wie ist das Team, was verdiene ich, welche Möglichkeiten bieten sich mir im Bereich Karriere, wie ist das Klima im Büro, welche Arbeitszeitmodelle bietet die Firma? Das sind alles keine neuen Themen. Nur wurden diese Fragen früher von Unternehmen in Stellenanzeigen lediglich angerissen und im Rahmen von Bewerbungsgesprächen im Face-toFace Kontakt geklärt. Heute haben Bewerber über das Internet unzählige Möglichkeiten sich über beliebige Arbeitgeber zu informieren. Also verlangt der Markt eine andere Art der Sprachfähigkeit für diese Themen. Die Inhalte unterliegen dem Zeitgeist, sind aber keine eigenen Kinder der aufkommenden Arbeitgebermarken-Diskussion.

Arbeitgebermarke als Hygienefaktor in der Kommunikation

Arbeitgebermarken beschreiben also häufig nur Hygienefaktoren für die externe Kommunikation. Nehmen wir diesen Aspekt bewusst einmal weg, bleibt die kulturelle Arbeit nach innen übrig. Aber worin unterscheidet sich diese Art der kulturellen (Arbeitgeber)Markenarbeit nach innen von der allgemeinen Arbeit an der Corporate Marke?

Ganz konkret auf den Punkt gebracht: Geht es bei den im Beispiel oben genannten Automobilmarken letztlich nicht einzig um die Frage, wie Mitarbeiter gefunden werden, die (bei BMW) Fahrzeuge entwickeln, bauen, vermarkten und verkaufen, um „Freue am Fahren“ zu erzeugen bzw. (bei Audi) Technikbegeisterte, die helfen die Innovationskraft der CORPORATE Marke weiter zu steigern.

Intern reden die Verantwortlichen in beiden Konzernen am Ende des Tages doch über wirtschaftlichen Erfolg im Kerngeschäft, monetäre Auswirkungen und Mehrwert.

Wer außer HR redet ernsthaft über Arbeitgebermarke?

Dort geht es nur um die Corporate Marke. Und die Mitarbeiter werden letztlich für die Corporate Marke gesucht – die Passung muss auf die Corporate Marke gemünzt sein. Es werden Mitarbeiter gesucht, die den Corporate Markenwerten dienen, keine, die „tolle Arbeitsbedingungen, Aufstiegschancen, vielfältige Entwicklungsmöglichkeiten oder Work Life Balance“ suchen. Natürlich weiß ich, dass die Arbeitgebermarke die zweite Seite der gleichen Münze zur Corporate Marke ist.

Dennoch führe ich nochmal zur provokativen Ausgangsfrage zurück: Brauchen wir tatsächlich all den Rummel um die Arbeitgebermarke oder vermeintliche Neuerungen wie eine Employer Reputation?

Eure Meinung dazu interessiert mich …

 

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Stefan Scheller

Autor und Speaker Persoblogger Stefan SchellerMein Name ist Stefan Scheller. In meiner Rolle als Persoblogger und Top HR-Influencer (Personalmagazin 05/22) betreibe ich diese Website und das gleichnamige HR Praxisportal. Vielen Dank für das Lesen meiner Beiträge und Hören meines Podcasts Klartext HR!

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