Zoff im Praktikum – was Unternehmen an Praktikanten nervt

Sie stehen zunehmend im Fokus. Vielleicht auch, weil die den Arbeitsmarkt betretende Generation Y häufig als Generation Praktikum bezeichnet wird: Die Praktikanten. In vielen Tätigkeitsbereichen werden Praktikanten eingesetzt, ja, ich bin sogar der Meinung, dass zahlreiche Aufgaben in Unternehmen vollkommen auf Eis liegen würden, wenn es keine Unterstützung durch Praktikanten gäbe. Aber Praktikanten sind im Fadenkreuz hoher Erwartungen durch die Unternehmen. Und sie werden diesen nicht immer gerecht.

Manch einen Praktikanten zieht es sogar in die Politik. So berichtete die Süddeutsche Zeitung gestern von einem Bewerber für ein sechswöchiges Praktikum bei einer Bundespolitikerin. Das Spannende daran: Man war sich laut SZ bereits weitestgehend einig, als der Praktikant auf einmal die Frage nach der Vergütung stellte. Und dann kam es überraschend zu einer Absage, weil es angeblich weder üblich sei, Praktikanten Geld zu zahlen noch entsprechendes Budget vorhanden sei.

Insofern verdient es durchaus Beachtung, wenn im Koalitionsvertrag das Thema Mindestlohn von den Regierungsparteien auch in Richtung Praktikantenvergütung diskutiert wird.

Die Staufenbiel Jobtrends 2014 Studie

Das Staufenbiel Institut erhebt jährlich im Rahmen seiner Jobtrends Studie Daten von Unternehmen und befragt unter anderem auch zu Praktikanten. An der Studie 2014 beteiligten sich 249 Unternehmen mit insgesamt mehr als 4,1 Millionen Mitarbeitern weltweit. Diese hatten im Befragungszeitraum über 17.000 offene Stellen für Akademiker.

Neben zahlreichen Studienergebnissen zur Lage auf dem Arbeitsmarkt sowie den Vergütungen, wurden die Unternehmen auch zu Praktikanten befragt. Die Ergebnisse fasst die nachfolgende Infografik zusammen:

Staufenbiel Infografik Praktikanten
Staufenbiel Infografik Praktikanten

Die Forderungen der Unternehmen sind hoch. Sehr hoch.

Dabei setzen 34% der Unternehmen aus meiner Sicht sehr hohe Erwartungstandards, was die Anzahl von zu leistenden Praktika angeht. Drei oder mehr sollten es schon sein. Puh, was bin ich froh, dass ich schon einen Job habe. Ich kann mich damals nur an ein einziges (mehr oder minder halbherziges) Wahlpflichtpraktikum zu Referendariatszeiten erinnern.

Auch scheinen die befragten Unternehmensvertreter zahlreiche Kritikpunkte an ihren Praktikanten gefunden zu haben. Von mangelnder Offenheit ist bei 69% die Rede. Was immer diese Offenheit sein soll. Wenn das in dem Sinne zu beurteilen ist, wie 31% angeben, nämlich dass die Praktikanten auch undankbare Aufgaben gerne erledigen sollten, dann kann ich deren Weigerung oder Murren gut verstehen. Mich beschleicht da das gute, Verzeihung, schlechte alte Klischee des Kaffeekochens oder Aktensortierens.

Aber auch die Pünktlichkeit wird bemängelt sowie der Respekt. Hm, mag es hier gar ein Generationenproblem geben? Sind das nicht schon immer die Vorurteile gewesen, die Erwachsene den Heranwachsenden an den Kopf geworfen haben? Sind wir etwa da noch immer nicht drüber hinweg?

Praktikanten – alles nur Luftnummern?

Da bin ich jetzt doch sehr überrascht über diese Ergebnisse. Nein, sogar schockiert! Weil sie sich so gar nicht mit den Erfahrungen decken, die wir bei DATEV mit Praktikanten machen. Oder haben wir möglicherweise einfach nur die besseren Praktikanten eingestellt? Quatsch!

Image credit: tomwang / 123RF Stock Foto
Praktikanten als Luftnummern?

Ich habe ein sehr positives Bild von unseren Praktikanten und denke, dass die befragten Unternehmensvertreter einmal in sich gehen sollten, um genau zu prüfen, wie ihre Antworten zustande kommen.

Mag es sein, dass die Generation Y einfach ungewohnt selbstbewusst auftritt und die Knowhow-Träger von einst sich auf den Schlips getreten fühlen, Machtverlust wittern oder gar verägert sind? Ganz nach dem Motto „Mir wurde damals nichts geschenkt, also sollen sich die Jungen mal anstrengen und erst einmal etwas leisten!“.

Die Praktikumsvergütung als Zankapfel

Besonders erwähnenswert finde ich die Aussage von 82% der Unternehmen, die ihre Praktikantenvergütung als „fair“ bezeichnen. Was daran so erwähnenswert ist? Naja, dass umgekehrt fast ein Fünftel die Vergütung selbst nicht als fair bezeichnet. Gibt es da etwa einen Zusammenhang? Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Der Blick auf die von den Befragten angegebenen Praktikantenvergütungen beschwichtigt dann doch etwas, denn immerhin 65% scheinen mindestens 400 Euro zu zahlen. Wer jedoch das Fair Company Siegel (eine Initiative von karriere.de und Handelsblatt) sein eigen nennen will, sollte sich laut Regelwerk jedoch bei mehrmonatigen Einsätzen am Bafög-Höchstsatz von zurzeit 670 Euro pro Monat orientieren.

Das sind zwar noch lange keine 84.000 $, die Praktikanten im Silicon Valley angeblich verdienen, aber das wäre wahrscheinlich auch etwas heftig.

Geben und Nehmen

Studien und Geld hin oder her. Wenn Menschen miteinander arbeiten, dann sollten sie sich gegenseitig immer fair und respektvoll behandeln und so die Grundlagen schaffen für eine längerfristige Zusammenarbeit. Denn letztlich profitieren damit beide von einem Praktikum: Die Unternehmen lernen junge Talente kennen, deren Passung zum Unternehmen sie nach dem Ablauf des Praktikumszeitraums besser einschätzen können. Und die Praktikanten kommen intensiv in Kontakt mit den Arbeitsbedingungen und Arbeitgebermarkenwerten der Unternehmen mit Blick auf eine zukünftige Bewerbung.

Eine klassische win-win-Situation. Hach, was bin ich doch wieder philosophisch heute … Und trotzdem ist es genau so gemeint.


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Stefan Scheller

Autor und Speaker Persoblogger Stefan SchellerMein Name ist Stefan Scheller. In meiner Rolle als Persoblogger und Top HR-Influencer (Personalmagazin 05/22) betreibe ich diese Website und das gleichnamige HR Praxisportal. Vielen Dank für das Lesen meiner Beiträge und Hören meines Podcasts Klartext HR!

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