Digitale Arbeit und Mobilität – wie HR jetzt gefordert ist

In meinem Beitrag zur New Work habe ich überblicksartig die Veränderungen der Arbeitswelt auf Basis des BITKOM Positionspapiers dargestellt. Im zweiten Teil meiner Serie greife ich nun den Aspekt der rein digitalen, virtuellen Präsenz bei der Arbeit heraus. Mobilität ist das neue Zauberwort. Dabei zeige ich auf, was jetzt von HR gefordert ist bzw. stelle die Frage, ob die Personaler hierauf bereits ausreichend vorbereitet sind.

Umfrage zu New Work

Kern der New Work ist der Megatrend der Digitalisierung der Arbeit. Dabei zeigte sich jüngst in einer Umfrage des Bundesforschungsministeriums, veröffentlicht im Wall Street Journal, dass die Digitalisierung bereits vielen Menschen Sorge bereitet. So sehen angeblich 39% der Deutschen ab 16 Jahre den Veränderungen „eher mit Befürchtungen entgegen“. Allerdings erwarten auch 43% der Befragten für sich persönlich keine gravierenden Auswirkungen der Digitalisierung.

Natürlich unterscheidet sich die Beurteilung stark nach dem Alter der Befragten. Grundsätzlich gilt, dass die Generation Y deutlich zuversichtlicher gestimmt ist, was jedoch wenig verwundert. Erstaunlich ist vielmehr, dass Frauen wesentlich skeptischer sind, als Männer. Da mir die Analyseergebnisse nicht im Detail vorliegen, kann ich nur mit einem (vielleicht etwas klischeehaft anmutenden) Erklärungsansatz aufwarten: Möglicherweise sind Männer einerseits von Grund auf etwas technikaffiner. Andererseits glaube ich, dass Frauen wesentlich stärker menschenorientiert denken und Entwicklungen intensiver nach den Auswirkungen auf den Menschen hinterfragen. Soweit meine eigene Meinung.

Das Homeoffice – gelebte Realität

Auch wenn ich hier über New Work spreche, so bedeutet das nicht, dass alle Aspekte daran komplett neu sind. Insbesondere besteht bereits seit Jahren in vielen Unternehmen die Möglichkeit von zuhause aus, also via Homeoffice, zu arbeiten. So gibt es auch bei meinem Arbeitgeber DATEV diese Option für Tätigkeiten, die sich hierfür anbieten.

Diesbezüglich nicht perfekt im Einklang mit den BITKOM-Thesen zur New Work scheinen aktuelle Studien des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zu stehen, die sogar unter der Überschrift „Heimarbeit verliert in Deutschland an Bedeutung“ titeln.

DIW-Studie Homeoffice D

Wobei das meiner Ansicht nach etwas zu pauschal und provokativ formuliert ist. Außerdem hilft zur Interpretation auch ein Blick auf die Entwicklung im EU-Umfeld.

Quelle: DIW-Studie 02/2014
Quelle: DIW-Studie 02/2014

Dort zeigt sich der gegenläufige Trend und die digitale Heimarbeit nimmt weiter zu.

Hinsichtlich der Gründe, warum gerade in Deutschland der Trend zur Heimarbeit konträr zum EU-Umfeld scheint, schweigt die Studie. Es wird lediglich auf den zusätzlichen Forschungsbedarf verwiesen und einzelne Vermutungen werden angestellt. Die spannendste davon lautet: „Arbeitgeber in anderen Ländern könnten häusliche Erwerbstätigkeit eher akzeptieren und Arbeitnehmer sie sich stärker wünschen.“

Passenderweise hat das Bundesforschungsministerium das diesjährige Wissenschaftsjahr der “Digitalen Gesellschaft” gewidmet.

Welche Haltung haben Sie eigentlich zur digitalen Heimarbeit?

Einen ersten Anhaltspunkt liefert sicher Ihr eigenes Bauchgefühl. Fragen Sie sich doch einmal ehrlich, was Ihnen durch den Kopf geht, wenn sich Ihr Chef und ein Teil Ihrer Kollegen am Donnerstagabend ins Homeoffice verabschieden und Sie diese am Freitag nur via E-Mail oder manchmal auch gar nicht mehr wahrnehmen.

Ertappen Sie sich vielleicht bei dem Gedanken, dass der Heimarbeiter schon ein verfrühtes Wochenende genießen könnte und sie nunmehr im Büro alleine die Stellung halten müssen? Na wie sehr schätzen Sie selbst Mobilität…?

Digitale Heimarbeit ist in erster Linie eines: Arbeit!

Ich gebe zu, auch nicht immer frei von diesem Bauchgefühl gewesen zu sein. Allerdings blicke ich diesbezüglich auf nunmehr bereits 14 Jahre Erfahrung mit (unregelmäßiger) Homeoffice-Arbeit zurück und betrachte das Thema daher differenzierter.

Insbesondere mag diese tendenziell kritischere Haltung der Deutschen zu diesem Thema auch daran liegen, dass wir historisch sehr stark aus einer Präsenzkultur stammen. Wir erfassen Anwesenheitszeiten (nicht zuletzt wegen der deutschen Arbeitszeitgesetze) sekundengenau. Wer an seinem Schreibtisch sitzt, den PC anhat und tippt, dem wird erst einmal unterstellt, dass er arbeitet. Wer lange bleibt, gilt als fleißig. Ein dick bebuchtes Überstundenkonto indiziert Leistungsträger.

Das zeigen nicht zuletzt zahlreiche persönlich erlebte Diskussionen um Zeitgutschriften bzw. Arbeitszeitausgleich für geleistete Arbeit. Oder sollte ich vielleicht präziser formulieren: Für Anwesenheit am Arbeitsplatz. Ich unterstelle hier niemandem etwas Böses und möchte keine erbrachten Leistungen klein reden. Sicher nicht. Aber ich stelle fest: Anwesenheit bedeutet aus meiner Sicht erst einmal überhaupt nichts. Außer einer formalen Erfüllung möglicherweise explizit vertraglich vereinbarter Soll-Arbeitszeiten.

Ergebnisorientierung statt Zeitorientierung

Diese Erkenntnis ist ebenfalls nicht neu, denn seit einigen Jahren haben viele Unternehmen eine ergebnisorientierte Vergütung eingeführt. Allerdings sind die Bekenntnisse zu dieser Vergütungsmethode in meinen Augen eher schwach ausgeprägt und beschränken sich oft auf zusätzliche Leistungsanreize wie zum Beispiel (Einmal)Prämien. Eine komplette Umstellung traditionell zeitorientiert vergüteter Tätigkeiten auf eine Ergebnisorientierung hat in den seltensten Fällen stattgefunden.

Das Thema gewinnt mit dem vom BITKOM prognostizierten Wachsen von Heimarbeit neue Bedeutung. Gleiches gilt übrigens auch für Mobilität, zum Beispiel Arbeiten aus einem Hotelzimmer oder einem Verkehrsmittel wie der Bahn.

Überwachung als Rettung für zeitorientierte Entlohnung?

Nun könnte man argumentieren, dass durch die zunehmende Digitalisierung die Überwachung der Arbeitsleistung doch immer einfacher werden sollte, das Problem sich also in Luft auflöst. – Mal ganz zynisch argumentiert: Wenn ein Arbeitgeber wissen will, was seine Mitarbeiter außerhalb des Büros gearbeitet haben und wie lange diese in der Mittagspause shoppen waren und mit Kreditkarte gezahlt haben, könnte er doch zukünftig einfach die NSA oder einen anderen Geheimdienst nach den entsprechend aufgezeichneten Daten fragen.

So realistisch dieses Schreckensszenario auch zwischenzeitlich für viele gefühlt sein mag, ich führe die Diskussion mal zurück zum Kernpunkt.

HR als Vordenker

Zum einen werden die Personaler zukünftig stärker gefordert sein, eines ihrer Kernaufgabenfelder neu zu durchdenken: Was genau will das Unternehmen honorieren? Welche Möglichkeiten bietet einerseits der Gesetzgeber und was lässt sich innerbetrieblich dazu mit dem Betriebspartner aushandeln?

Ist die Möglichkeit des Arbeitens außerhalb unternehmenseigener Gebäude bereits Teil der Vergütung oder gar Belohnung? Oder wandelt sich dies mit Blick auf die sich verändernden Prozesse dahingehend, dass HR sich sogar zuständig fühlt, Telearbeit aktiv im Unternehmen zu forcieren? Natürlich nur dort, wo ein solches Arbeiten möglich und sinnvoll ist, versteht sich.

Wird die Karte „mobile Arbeitsmöglichkeiten“ nur als Lockmittel für die jungen Generationen im Rahmen von Personalmarketingkampagnen gezogen oder unternehmensintern auch in der Breite gelebt?

Der Businesspartner als Treiber der internen IT

Übernimmt HR wesentlich stärker seine Rolle des Businesspartners, dann wird der Personalbereich damit zum strategischen Treiber der internen (Kommunikations-)IT und darüber hinaus gar zum Gestalter von Kernprozessen der Arbeit.

Allerdings behaupte ich, dass in einem Großteil der Unternehmen HR wesentlich operativer unterwegs ist.

Unternehmenskultur aktiv managen

Die größte Herausforderung im Zusammenhang mit Telearbeit wird aber meiner Meinung nach eine ganz andere werden: Nicht jede Tätigkeit eignet sich gleichermaßen, um sie von einem beliebigen Arbeitsort aus zu verrichten. HR erhält noch stärker die Aufgabe als bisher, das kulturelle Gleichgewicht zwischen den digitalen mobilen Wissensarbeitern und den im Büro einer klassischen Tätigkeit vor Ort nachgehenden Belegschaft zu halten.

Denn zum einen werden in der Öffentlichkeit vermehrt die Vorteile dieser Arbeitsweise für den Einzelnen Homeoffice-Worker herausgestellt und dazu auch noch extrem übertriebene Bildwelten wie die nachfolgende verwendet:

Und gleichzeitig gibt es Entscheidungen, wie die der Yahoo-Chefin Marissa Mayer, die nach Ihrer Übernahme des Vorstandsvorsitzes im Juli 2012 als eine der ersten Amtshandlungen alle Arbeitnehmer aus ihren Homeoffices zurück ins Büro geholt hat. Und diesen damit unausgesprochen attestiert: „Die Zeit der Faulenzerei hat ein Ende. Alle Mann im Büro antreten!“.

Dies kann eine gefühlte Zwei-Klassen-Gesellschaft in Unternehmen fördern und letztlich den Heimarbeitsplatz als solches gar ganz in Frage stellen.

Ein Zwischenfazit

Bei allen progressiven Tendenzen zur Weiterentwicklung in Richtung Digitalisierung und mobiler Arbeit, darf aus meiner Sicht weder die breite Masse der Kolleginnen und Kollegen ohne Chance auf Telearbeit vergessen werden, noch der Heimarbeiter in die Ecke einer Übervorteilung geschoben werden.

Und wer sonst, außer dem Personalbereich sollte sich dieser Aufgabe annehmen können…?

Und passend dazu in einem weiteren Teil meiner Serie, die kritische Diskussion, wie stark HR tatsächlich auf diese Unternehmenskultur einwirken kann, gelebte Praxisbeispiele dazu, die Auswirkungen auf die Zukunft der Mitarbeiterführung und die Frage, ob zukünftig der Personalentwickler der wichtigste Personaler sein wird…

Für heute freue ich mich auf Reaktionen und Kommentare zum Thema.

Stefan Scheller

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